Der Janusmann
Deshalb schilderte ich ihm den gesamten Ablauf des Geschehens. Ich beschrieb die beiden DEA-Typen in dem Toyota in allen Einzelheiten.
»Keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte«, sagte er.
Ich äußerte mich nicht dazu.
»Das Kennzeichen des Toyota haben Sie nicht gesehen?«, fragte er.
Ich überlegte, dann sagte ich die Wahrheit.
»Ich habe ihn nur von vorn gesehen. Da hatte er keines.«
»Okay«, meinte er. »Sie kamen also aus einem Bundesstaat, der kein Kennzeichen vorn verlangt. Das engt den Kreis etwas ein, vermute ich.«
Ich schwieg. Er schüttelte den Kopf.
»Informationen sind sehr rar«, sagte er. »Einer meiner Geschäftsfreunde hat unauffällig beim Police Department dort unten nachgefragt. Ein städtischer Cop ist tot, ein Collegecop ist tot, zwei Unbekannte, die einen Lincoln gefahren haben, sind tot, und zwei Unbekannte in einem Toyota-Pick-up sind tot. Der einzige überlebende Augenzeuge ist ein weiterer Collegecop, aber der liegt nach einem Verkehrsunfall fast fünf Meilen vom Tatort entfernt noch immer im Koma. Deshalb weiß vorläufig niemand, was passiert ist. Niemand vermutet einen Entführungsversuch. Bekannt ist nur, dass es aus unerklärlichen Gründen ein regelrechtes Blutbad gegeben hat. Die Polizei tippt auf eine Fehde zwischen Gangsterbanden.«
»Was passiert, wenn die Polizei das Kennzeichen des Lincoln überprüft?«, fragte ich.
Er zögerte.
»Der Wagen ist auf die Firma zugelassen«, antwortete er dann. »Das Kennzeichen führt nicht direkt hierher.«
Ich nickte. »Okay, aber ich wäre gern an der Westküste, wenn der zweite Collegcop aufwacht. Er hat mich gut sehen können.«
»Und ich will wissen, wer versucht hat, meinen Sohn zu entführen.«
Mein Blick wanderte zu den Anacondas auf dem Tisch. Irgendwer hatte sie gereinigt und geölt. Ich war plötzlich sehr erleichtert, dass ich die verschossenen Patronen herausgenommen und weggeworfen hatte, und griff nach dem Glas. Umfasste es mit der ganzen Hand und roch an dem Inhalt. Ich hatte keine Ahnung, was das war. Eine Tasse Kaffee wäre mir lieber gewesen. Ich stellte das Glas auf den Tisch zurück.
»Mit Richard alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Er wird’s überleben«, meinte Beck. »Ich wüsste gern genau, wer’s auf mich abgesehen hat.«
»Ich hab Ihnen gesagt, was ich weiß«, erklärte ich. »Sie haben mir keine Ausweise gezeigt. Ich kannte sie nicht persönlich und war nur zufällig dort. Was ist der zweite Punkt?«
Nun folgte eine lange Pause. Draußen toste die Brandung.
»Ich bin ein vorsichtiger Mann«, sagte Beck schließlich. »Und ich möchte Sie nicht beleidigen.«
»Aber?«
»Aber ich frage mich, wer Sie wirklich sind.«
»Ich bin der Mann, der das zweite Ohr Ihres Sohnes gerettet hat«, sagte ich.
Beck sah zu Duke, der rasch vortrat und mein Glas nahm. Er fasste wieder nur den Glasrand mit Daumen und Zeigefinger an.
»Und jetzt sind Sie im Besitz meiner Fingerabdrücke«, sagte ich. »Klar und deutlich.«
Beck nickte erneut wie ein Mann, der eine wohl überlegte Entscheidung trifft. Er deutete auf die auf dem Tisch liegenden Revolver.
»Schöne Waffen«, meinte er.
Er stieß einen Colt mit den Fingerknöcheln an und ließ ihn zu mir hinübergleiten. Der schwere Stahl machte auf der Eichenholzplatte ein hohl nachhallendes Geräusch.
»Verraten Sie mir, warum jeweils eine der Kammern mit einem eingeritzten Kreuz gekennzeichnet ist?«
Ich horchte auf den Ozean.
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich habe sie so bekommen.«
»Sie haben sie gebraucht gekauft?«
»In Arizona«, sagte ich.
»In einem Waffengeschäft?«
»Auf einer Waffenmesse.«
»Warum?«
»Ich mag keine Ausweiskontrollen.«
»Haben Sie nicht nach den Kratzern gefragt?«
»Ich habe angenommen, das seien Markierungen«, entgegnete ich. »Irgendein Waffennarr habe mit beiden Revolvern geschossen und die genaueste Kammer markiert. Oder die ungenaueste.«
»Die Kammern sind unterschiedlich?«
»Alles ist unterschiedlich. Das liegt in der Natur industrieller Fertigung.«
»Sogar bei Revolvern für achthundert Dollar?«
»Kommt drauf an, wie pingelig man ist«, sagte ich. »Hat man das Bedürfnis, bis auf Hunderttausendstelmillimeter genau zu messen, ist alles auf dieser Welt unterschiedlich.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Nicht für mich«, sagte ich. »Ziele ich mit einer Waffe auf jemanden, ist’s mir egal, welches spezielle Blutkörperchen ich im Visier habe.«
Er saß einen Augenblick schweigend da. Dann
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