Der Janusmann
sich in Zehnuhrposition befand.
»Pass auf!«, sagte er dann.
Er hob den Revolver und zielte mit ausgestrecktem Arm etwas unterhalb der Waagerechten auf eine der flachen Granitplatten an der Brandungslinie. Dann drückte er ab. Die Trommel drehte sich, und der Hammer schlug nach vorn. Die Waffe bockte, blitzte und donnerte. Gleichzeitig splitterte Granit ab, und ich hörte das unverkennbare Jaulen eines Querschlägers. Es verhallte rasch. Das Geschoss ging vermutlich hundert Meter weiter in den Atlantik. Vielleicht traf es einen Fisch tödlich.
»Sie war echt«, erklärte er. »Ich bin schnell genug.«
»Okay«, sagte ich.
Er klappte die Trommel zur Seite und schüttelte die leere Patronenhülse heraus. Sie fiel klirrend auf die Felsen vor seinen Füßen.
»Du bist ein Arschloch«, sagte er. »Ein Arschloch von einem Copkiller.«
»Du warst ein Cop?«
Er nickte. »Ist schon lange her.«
»Ist Duke dein Vor- oder Nachname?«
»Nachname.«
»Wieso braucht ein Teppichimporteur bewaffnete Leibwächter?«
»Wie er dir erzählt hat, geht’s in der Branche rau zu. Mit Teppichen ist viel Geld zu verdienen.«
»Willst du mich wirklich hier haben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Schon möglich. Schnüffelt jemand herum, brauchen wir vielleicht etwas Kanonenfutter. Lieber du als ich.«
»Ich habe den Jungen gerettet.«
»Und wenn schon. Stell dich hinten an. Jeder von uns hat den Jungen schon mal gerettet. Oder Mrs. Beck oder Mr. Beck selbst.«
»Wie viele Männer hast du?«
»Nicht genug«, erwiderte er. »Nicht wenn wir wirklich angegriffen werden.«
»Was findet hier statt – ein Krieg?«
Er gab keine Antwort, ging einfach an mir vorbei ins Haus zurück. Ich kehrte der ruhelosen See den Rücken zu und folgte ihm.
In der Küche war nichts Besonderes los. Der Hausmeister war verschwunden, die Köchin und das Dienstmädchen räumten auf. Sie stellten das Geschirr in eine Maschine, die groß genug war, um in einem Restaurant Dienst zu tun. Das Dienstmädchen besaß zwei linke Hände. Sie wusste nicht, was wohin gehörte. Ich sah mich nach Kaffee um, entdeckte aber keinen. Duke setzte sich wieder an den leeren Kieferntisch. Hier gab es keine Aktivität. Keine Dringlichkeit. Mir war bewusst, dass die Zeit verrann. Ich misstraute Susan Duffys Schätzung, dass ich fünf Tage Zeit haben würde. Fünf Tage sind eine lange Zeit, wenn man zwei gesunde Männer heimlich gefangen hält. Hätte sie drei Tage gesagt, wäre ich zufriedener gewesen.
»Geh schlafen«, forderte mich Duke auf. »Morgen hast du ab halb sieben Dienst.«
»Was muss ich tun?«
»Du tust, was ich dir sage.«
»Schließt du meine Zimmertür wieder ab?«
»Verlass dich drauf«, antwortete er. »Ich sperre sie um Viertel nach sechs auf. Sei um halb sieben hier unten.«
Ich wartete auf der Bettkante sitzend, bis ich hörte, wie er die Treppe heraufkam und die Tür abschloss. Als ich sicher war, dass er nicht zurückkommen würde, zog ich meinen Schuh aus, um nachzusehen, ob eine Nachricht für mich da war. Als ich das kleine Gerät einschaltete, füllte die fröhliche Ankündigung You’ve Got Mail! in Kursivschrift den winzigen grünen Bildschirm aus. Die einzige Mail kam von Susan Duffy. Sie bestand aus nur einem Wort: Standort? Ich drückte die Antworttaste und tippte ein: Abbot, Maine, Küste, 20 Mi. S Portland, Einzelhaus auf felsiger Landzunge. Das musste genügen. Ich hatte keine genaue Adresse oder GPS-Koordinaten. Aber sie würden das Haus finden, wenn sie es auf einer Karte in kleinem Maßstab suchten. Ich drückte auf jetzt senden.
Dann starrte ich den Bildschirm an. Ich wusste nicht genau, wie E-Mail funktionierte. Kam die Verbindung wie bei einem Telefongespräch augenblicklich zustande? Oder würde meine Antwort irgendwo im Ungewissen verharren, bis sie Duffy erreichte? Ich nahm an, dass Duffy auf sie warten würde und Eliot und sie sich Tag und Nacht abwechseln würden.
Neunzig Sekunden später meldete das Gerät wieder: You’ve Got Mail! Ich lächelte. Vielleicht war dieses Verfahren doch nicht schlecht. Diesmal war ihre Nachricht länger. Nur zweiundzwanzig Wörter, aber ich musste den Text auf dem winzigen Bildschirm abrollen lassen, um ihn ganz lesen zu können: Wir suchen es auf den Karten, danke. Fingerabdrücke zeigen, dass festgehaltene Leibwächter bei der Army waren. Hier alles unter Kontrolle. Bei Ihnen? Fortschritte?
Ich drückte die Antworttaste und tippte: Wahrscheinlich angestellt. Ich überlegte kurz,
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