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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Bedürfnis wie Hunger oder Durst, und da gibt es halt verschiedene Geschmäcker. Als Verkäufer hat man es diesbezüglich natürlich leichter als der Kunde. Man ist nicht im Sexshop, um sich halbperverse bis perverse Wünsche zu erfüllen, sondern weil man pleite ist. Oder ein Schriftsteller mit romantischen Vorstellungen. Nachtwächter, Hotelportier, Sexshop-Verkäufer, das sind die drei klassischen Mutterschiffe großer Romane. Oder großer Drehbücher. So oder ähnlich haben es Tarantino, Bukowski und Henry Miller gemacht. Ich weiß inzwischen, warum. Man hat doch, sofern der Laden so klein wie dieser ist, einige Zeit für sich. Es sind nicht immer Kunden da, und wenn dann welche da sind, verhalten sie sich ausgesprochen höflich und zurückhaltend. Weil sie vollauf mit sich selbst beschäftigt sind. Nicht nur mit ihrer Erregung (oder Neugier), auch mit ihren Selbstzweifeln. Was denkt der Verkäufer über mich, wenn ich hier gleich mit einer künstlichen Muschi zum Tresen komme? Der Kunde outet sich in jedem Fall. Darum verhält er sich so unsichtbar, wie es nur geht. Ich hätte auf dem Verkaufstresen Geld drucken können, und sie hätten es nicht gesehen.
    «Bingo, hier kann man in Ruhe Bücher schreiben», sagte ich. «Aber erst mal tütest du die Magazine ein», antwortete Tom. Er bildete mich aus. Ein Sexshop, der seine Magazine nicht eintütet, ist wie eine Bäckerei, in der man unbegrenzt und kostenlos Kuchen probieren kann. Das rechnet sich nicht. Zum Eintüten braucht man viel Tesafilm und eine ruhige Hand, mehr nicht. Und es ist eine angenehme Arbeit. Nicht so stupide, wie Broschüren der städtischen Elektrizitätswerke oder Telefonbücher einzutüten. Extrem gut gebaute Frauen in vorbildlicher Haltung, darüber zieht sich das Tesa wie von selbst. Frauen in allen Größen und Farben, leider dann aber auch in allen Altersgruppen. Womit ich ABSOLUT nichts gegen Sechzigjährige sagen will. Aber schon gegen Sechzigjährige auf den Covern von Pornomagazinen. Das hat mit meiner Vorstellung von der Würde des Alters zu tun. «Ja, das akzeptiere ich», sagte Tom. «Aber wenn du die Alten nicht genauso akkurat eintütest wie die Jungen, kriegst du Streß, Alter, denn genau daran erkennt der Chef, ob er einen motivierten Mitarbeiter hat oder wieder nur einen, der ihn verarschen will.»
    Plötzlich war der Shop voll. Richtig voll. Auf einen Schlag waren drei Männer und zwei Frauen gekommen. Tom wurde nervös. Er will keine Frauen im Laden. Weil sich die Männer dann nichts trauen und schnell wieder gehen. «Aber dafür kaufen dann doch die Frauen», sagte ich. Er machte kein zustimmendes Gesicht. Zunächst behielt er recht. Die Männer verschwanden ziemlich schnell. Die Frauen nicht. Sie standen am Dildo-Tisch. Sie sahen aus wie jedermanns Nachbarin. Eine hatte sich gerade zwei Dildos aus dem Regal genommen. Einen silbernen aus Metall und einen aus Plastik. «Ich hätte mal eine Frage», sagte sie. «Was ist eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden?» Tom antwortete mit ernstem Gesicht: «Die aus Metall sind kälter als die aus Plastik, gnä’ Frau.»
    Hinter dem Verkaufstresen stehen ein relativ bequemer Stuhl, mehrere tausend Porno-DVDs und ein Fernseher für Tom. Der Sexshop ist sein Zweitjob. Hauptberuflich ist er Filmvorführer. Das hat seinen Reiz, wenn er über die unterschiedliche Qualität der Porno-DVDs spricht. Es gibt gute Labels, schlechte Labels und Schrott. Der Schrott liegt in den Wühltischen zum Preis für vier bis zehn Euro pro DVD. Das sind Zweitverwertungen. Aus alten Filmen herausgeschnittene Szenen, neu zusammengesetzt. Rahmenhandlungen sind bei diesen Remixen nicht mehr drin. Nur noch Schwerpunktthemen. Ein hochwertiges Label bietet dagegen Kostümvielfalt und ganze Geschichten. Die Pornoversion vom «Gladiator» zum Beispiel führt uns backstage in den Circus maximus. Der Regisseur weist mit Stolz darauf hin, daß er für den Dreh sogar einen Löwen und einen Jaguar beschafft hat. Wo weist er darauf hin? Auch das gibt es nur bei den guten Labels und ab dreißig Euro aufwärts: die Making-ofs, die Interviews mit den Darstellern, die nicht gezeigten oder verpatzten Szenen. Als sich der Löwe plötzlich von seinem Platz erhob und kurz mal brüllte. Obwohl er angekettet war, flüchtete das Filmteam. Und die Hauptdarstellerin, die erzählt, wie sehr sie sich dabei erschrocken hat, wischt sich während des Interviews noch mal schnell etwas Sperma von der Schulter. So was erheitert den

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