Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
sind groß und stark, die Serbinnen sind groß und schön, aber so was von schön, daß man schon scharf sagen muß. Ich schreibe jetzt keinen Stuß. Ich bin hier kompetent. Weil viel rumgekommen. Ich habe zwei Jahre in Havanna gelebt und drei Jahre in Marrakesch, ich kenne Rio, den Vorderen und Mittleren Orient, Indien, Hinterindien, und Rußland ist mir auch nicht fremd. Im Prinzip habe ich alle Frauen der Welt gesehen, und bevor ich nach Belgrad kam, glaubte ich, die Kubanerinnen seien die drittschönsten Frauen, die Brasilianerinnen die zweitschönsten und die Israelinnen der absolute Wahnsinn dieser Welt. Schöner als die Mädchen von Tel Aviv geht es nicht. In Belgrad wird mir klar, daß das alles Blödsinn ist. Hier sind die Champs. Groß, schön, zeigefreudig. Das kommt dazu. Serbinnen bevorzugen traditionell das rattenscharfe Dekolleté. Man weiß gar nicht, wohin man sehen soll, so voll sind die Straßen der Stadt mit Frauen, die wie Mannequins, Go-go-Tänzerinnen oder Pornostars aussehen, aber wahrscheinlich sind es Mathematikstudentinnen oder Schach-Genies. Mir gefällt Belgrad sehr gut, und ich weiß jetzt langsam auch, warum: tiefe Ausschnitte und hoher IQ auf Belgrads Vergnügungsmeile Strahinjica Bana, im Volksmund auch Silicon Valley genannt, weil sich auf ihr am Abend alle Mädchen, die heiraten wollen, mit allen Männern, die Autos haben, treffen. Aufgebockt und hochgetunt, Haare und Röcke flattern im Wind, der aus Nordosten kommt, und wenn ich genug davon habe, gehe ich zu den Kollegen vom serbischen Schriftstellerverband.
Sie haben ein großes, altes Haus mit einem großen, grünen Garten im Zentrum der Stadt. Das Tolle an serbischen Schriftstellern ist, daß sie wie serbische Schriftsteller aussehen. Alle haben lange Bärte, und der mit dem längsten Bart, sagt man, sei auch der Beste von ihnen, denn er müsse nicht nur für seine Veröffentlichungen nichts zahlen, was in Serbien einiges heiße, nein, er sei auch ein Freund des größten lebenden deutschen Schriftstellers Peter Kant. Ob ich den Namen kenne, fragt mich Meister Langbart. Nein, sage ich, ich kenne nur einen Immanuel gleichen Namens, einen Kant, Peter leider nicht. Die anderen Dichter freuen sich jetzt, denn sie haben mit Meister Langbart gewettet, ob ich seinen Freund kenne oder nicht, und sie haben gewonnen. Deshalb kommt Slibowitz auf den Tisch, Schnaps für alle. Der Geist der Pflaume klärt das Mißverständnis auf. Es war ein Übersetzungsfehler. Er meinte Peter Handke. Natürlich kenne ich Peter Handke. Nächstes Schnäpschen für alle.
Serben trinken nicht viel, sagen die Serben. Die Russen trinken mehr. Und anders als in Rußland werden in Serbien Betrunkene, die sich nicht benehmen können, gesellschaftlich isoliert. In Belgrad trinkt man nicht, um besoffen zu werden, sondern aus Altruismus. Ein Dienst an der Geselligkeit. Frühestens zum Frühstück, spätestens am Spätnachmittag. «Five o’clock Slibowitz», mit etwas Käse und Salzgebäck, und mangelt es an den Snacks, wischt der Slibowitz auch diesen Mangel weg.
Das dritte Schnäpschen tranken wir auf das serbische Lied, das sich allerdings beim Song Contest nicht als siegreich erwiesen hatte. Nicht mal fast. Es landete auf dem sechsten Platz, und für die Rauschebärte war das keine Überraschung. Niemand mag Serben, warum sollten die europäischen Fernsehzuschauer es tun.
Beim Schnäpschen Nummer vier erzählten sie mir den passenden Witz dazu: Ein Serbe geht in den Waffenladen. «Haben Sie ein Maschinengewehr?» fragt er.
Antwort: «Nein.»
«Haben Sie Granaten?»
Antwort: «Nein.»
«Haben Sie ein Messer?»
Antwort: «Nein.»
Der Kunde fühlt sich langsam schlecht bedient. «Haben Sie vielleicht etwas gegen Serben?» will er jetzt wissen.
Antwort: «Ja – Maschinengewehre, Granaten, Messer.»
Daß die serbischen Schriftsteller nicht verbittert, sondern nur gesellig waren, bewies der Umstand, daß sie nun auch auf den fünften Platz beim Song Contest anstoßen wollten und auf den vierten, doch bevor sie beim ersten (Rußland) angelangt waren, verließ ich sie.
Glaube ich.
Der Jesus vom Sexshop
(Hamburg)
D as erste, was positiv auffällt, wenn man im Sexshop arbeitet, ist eine gewisse Befreiung in Sachen Moral und Scham. Es geht relativ schnell, daß man die Dinge so nimmt, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollten. Nachdem der zweite Kunde eine Muschi aus Silikon gekauft hatte, fand ich das normal. Sexueller Appetit ist ein körperliches
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