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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Cineasten, und so was empfiehlt er gerne, es sei denn, der Kunde hat Spezialanliegen. Dafür gibt’s die Spezial-Ecken. Wie im Supermarkt, wo Käse und Wurst eigene Regale haben, gibt’s im Sexshop Abteilungen, Anal und Große Titten, Schwul, SM oder FKK. Jeder Kunde hat seine Ecke, auch der Apotheker, der jeden Dienstag kommt. Tom hat einen Deal mit ihm: Der Apotheker darf sich die DVDs kostenlos mit nach Hause nehmen, sie auf CD brennen und wiederbringen, um die nächsten abzuholen. «Dafür bringt er mir Viagra, Alter. Das verkaufe ich hier unterm Ladentisch.» Der Apotheker kam derweil mit den Filmen seiner Wahl aus der Ecke zurück. Weil Tom seinen Job, mich einzuarbeiten, ernst nahm, zeigte er mir, wie es ging. Auf den leeren Hüllen, die der Kunde anschleppt, steht eine Nummer, auf den DVDs hinter mir waren auch Nummern. Von 1 bis 4600. «Schau zwischen 2000 und 2300», sagte Tom, «dann hast du seine Ecke.» Die Ecke des Apothekers war das reine Sperma. Freifliegend, auf jedes denkbare Körperteil, bevorzugt aber auf Gesichter. Komisch, dachte ich. Er schien aber anders darüber zu denken, denn er erwiderte mein Lächeln nicht. Er sah stur an mir vorbei und verschwand.
    Der nächste Kunde war ein harter Fall. Er sprach Deutsch mit osteuropäischem Akzent. Und hatte sich für eine Vagina entschieden. Na ja, was heißt Vagina, es war fast ein ganzer Unterleib. Der Karton war sehr groß. Der Preis stand ebenfalls groß drauf. Hundertfünfundfünfzig Euro. Der Kunde wollte den Karton öffnen. Das Material prüfen. «Nein», sagte Tom, «das geht leider nicht. Wir sind ein Fachgeschäft. Uns gibt es seit zwanzig Jahren. Wir haben das nicht nötig. Kein Aufmachen und keine Reklamation. Aber Sie können gerne eine Quittung haben.» Ich verstand seine Logik nicht ganz, aber Tom arbeitete mich ein und hatte deshalb recht. Der Kunde aus Osteuropa sah das anders. «Hundertfünfundfünfzig Euro ist viel Geld», sagte er. «Ja, aber Sie haben sich auch für das Beste entschieden. Diese Firma verarbeitet nur erstklassiges Silikon. Das fühlt sich erschreckend echt an. Sie können sich gerne davon überzeugen, indem Sie hier Ihren Finger reintun. Aber Auspacken ist nicht.» Der Hersteller hatte tatsächlich in der Verpackung ein kleines Loch für Kunden wie diesen gelassen. Der Osteuropäer mußte lachen. Dann steckte er den Finger rein. «O.   k.», sagte er. Und begann zu handeln. «Nee», sagte Tom, «das tut mir wirklich leid, aber wir handeln nicht.» Der Kunde gab sich alle Mühe, aber Tom erwies sich als ein Mann, bei dem jegliche Mühe vergebens sein kann. «Auch wenn Sie zwei Muschis auf einmal kaufen, kann ich keinen anderen Preis machen. Ich sag es gerne noch einmal. Das hier ist ein Fachgeschäft und kein Basar.» Am Ende ging der Mann mit seiner riesigen Vagina für keinen Cent weniger als die hundertfünfundfünfzig Euro raus, aber Tom hatte ihm kostenlos zwei Tuben Gleitcreme gegeben, damit er nicht sein Gesicht verlor. Es klappte, der Kunde aus Osteuropa verließ das Geschäft lachend.
    Die Verpackung hatte er dagelassen. Tom wies mich an, sie zu den anderen leeren Schachteln in den Keller zu bringen. Dafür mußte ich durch eine Tür, die als solche nicht zu erkennen ist, sondern aussieht wie ein Regal mit Comics und Magazinen. Es gibt auch keine Klinke. Man muß an einer bestimmten Stelle zwischen die Pornos greifen. Dann ertastet man einen hölzernen Riegel, der nach rechts umgelegt wird. Das ist nicht so leicht, und ich hatte es bereits einige Male üben müssen, aber ich schaffte es wieder nicht sofort. Mit der Hand zwischen zwei Sexcomics fummelte ich erfolglos an dem Riegel herum und betete zu Gott, daß das hier keiner mitkriegte, denn es sah für Uneingeweihte einfach zu dämlich aus. Mein Gebet schien unerhört geblieben zu sein, und falls es doch gehört worden ist, wurde ihm nicht entsprochen, denn der nächste Kunde kam in diesem Augenblick. Er beachtete mich jedoch gar nicht. Er war in Eile und absolut zielorientiert. Ein ziemlich junger Raver, vom Tanzen verschwitzt. Er sagte, er sei verantwortlich für die Deko einer Goa-Party. Er bräuchte mal schnell einen grünen, fluoreszierenden Dildo. Ob es so was bei uns gebe. «Ja», sagte Tom, «so was gibt es. Wir sind ein Fachgeschäft.»
    Der Raver suchte einen ziemlich großen Dildo aus, aber das war eine Bewertung aus einer Welt, der ich langsam nicht mehr angehörte. In der Welt des kleinen Sexshops entsprach dieser Dildo gutem Mittelmaß.

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