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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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sie ihnen Gäste bringen. Das gehört zu seiner Rechnung, ist der übliche Nebenverdienst, auf den er verzichten muß, wenn er durch das Tal des Draa fährt, wie ich es will. «Und warum willst du das unbedingt?» fragt Zada, die auf Mohammeds Linie umgeschwenkt ist, denn er hat ihr und Jane soeben direkten Kontakt mit Kamelen versprochen, noch bevor die Sonne untergeht. Und was sage ich?
    «Hört nicht auf ihn. Hört auf mich.»
    Der Draa ist ein Fluß, mit dem ich mich wesensverwandt fühle. Vielleicht sogar seelenverwandt. Denn er macht seine Sache wirklich schön, aber er kommt selten an. Im ewigen Eis der hohen Berge entsprungen, versucht er seit ziemlich langer Zeit, den Atlantischen Ozean zu erreichen, doch man hat ihn da selten gesehen. Nach Zagora wird er von der Sahara verschluckt. Ansonsten ist er der wohl malerischste Fluß der Welt, an dem sich die Oasen reihen wie Perlen an einer Schnur. Dattelpalmen-Oasen, schattige Brunnen, wilde Rosen, paradiesische Agrarkultur sowie viele, viele Kurven, und in jeder wird die Gegenwart mehr gelöscht. Wir fahren vier Stunden durchs Alte Testament.
    Zada meldet sich von hinten, sie ist very, very, very sorry, daß sie vorhin so gemeckert hat. «This track is absolutely incredible, Helge, thank you very, very, very much.» So will ich sie hören. So will ich sie alle hören. Nur so. Es gibt keine bessere Autoroute durch die marokkanische Wüste als durch das Tal des Draa. Autos haben übrigens gegenüber Kamelen mannigfache Vorteile, deshalb sieht man hier auch nur wenige, und am Ende des Tages, in Zagora, werden wir ebenfalls keine sehen, dafür werden wir fündig in Sachen Hotel mit gutsortierter Pool-Bar. Das Fabelhafte an marokkanischen Hotelangestellten ist, daß man sie alles fragen kann. Ich frage den Barmann, ob ich bei ihm auch was Illegales bestellen kann, und er sagt: ja. Whiskey, Kif und hohe Palmen. Unter einem funkelnden Sternenhimmel mit fast vollem Mond. Morgen, wenn er voll ist, werden wir in den «Grandes Dunes» von Merzouga weilen. Inschallah.
     
    Zweiter Tag. Bis zu siebenhundert Meter hoch wellen sich die Dünen der Erg-Chebbi-Wüste im Grenzgebiet von Marokko und Algerien, ein Meer aus Sand. Auch Glutofen der Hölle genannt. Wir werden seiner wie geplant kurz vor Sonnenuntergang ansichtig. Alles rechts von der Straße ist flaches Wüstenland, auch links von der Straße ist es an die hundert Meter flach, aber dann kommt der Strand von diesem Meer aus Sand. Gleich davor stehen die Hotels, immerhin zweistöckig, trotzdem werden sie von den Dünen um einiges überragt. Das letzte Licht legt ein sattes Gelb darauf und wenig später ein tiefes Orange, und wenn wir uns nicht beeilen, wird zu früh ein Blutorange daraus, und das Licht geht aus, noch bevor wir in die Sandsee stechen. Dafür bieten Hotels an diesem Strand statt Booten Wüstenschiffe an.
    Und da sind sie endlich, die Objekte der Begierde, die Höcker der Sehnsucht: die Kamele. Eine kleine Karawane von fünf Tieren erwartet uns kniend, Mohammed hat sie gebucht. Freunde des späten Nachmittags, jetzt wird die Lage ernst, denn es sind nur noch zwanzig Meter bis zu ihnen. Und ich sage euch, steigt nicht drauf. Ich habe es meinen Reisegefährten schon während der gesamten Reise gesagt, immer wenn die Rede auf Kamele kam, und immer habe ich gesagt, «ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich steige nicht drauf». Und soeben höre ich Jane, nein: Zada unseren Freund und Fahrer fragen: «Mohammed, was würdest du denn tun? Reiten oder zu Fuß gehen?»
    Ich kenne Mohammed seit rund sieben Jahren. Wir haben viele Touren zusammen gemacht, wir haben viel Tee miteinander getrunken, wir sind keine Freunde, aber wir pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Und warum verarscht er uns dann? Und noch blöder: Warum glaube ich ihm? Weil er es so schön sagt, so melodisch, fast singend: «Ich würde das Kamel reiten und die Dünen genießen», antwortet Mohammed, und er lügt. Niemals würde er draufsteigen. Ich weiß es von seinen Freunden und seinen Brüdern. Und von allen anderen. Kein Marokkaner, der nicht direkt oder indirekt an Kamelen verdient, reitet sie. Nicht mal die Beduinen. Weil es Lasttiere sind. Es gibt Fotos. Es gibt Kino. Und es gibt die Realität.
    Die sah so aus: Die Sanddünen hoch war kein Thema. Ich rutschte im Sattel zurück und fühlte mich wohl. Die Sanddünen runter dagegen war fatal. Jedesmal glaubte ich, die Sache in den Griff zu kriegen – man hat Armmuskeln, man kann sich

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