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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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klappt meistens im ersten Anlauf nicht. Es ist schön, wenn man ein Thema hat, über das man immer reden kann. Unter den ausländischen Hausbesitzern in Marrakesch funktioniert das Thema «marokkanische Handwerker» ganz wunderbar. Jeder hat da ohne Ende Geschichten parat. Daß man ihnen nicht, wie in Deutschland, Bier geben muß, damit die Arbeit fröhlich vonstatten geht, sondern Haschisch, und daß man ihnen nicht den Rücken zuwenden darf, es sei denn, es ist einem alles egal. Trotzdem, es macht unheimlichen Spaß, das Bauen, Einrichten, Dekorieren, das ist ganzheitliche Kreativität, das ist Aktivurlaub, das ist optimale Kommunikation mit Land UND Leuten, und – es ist ein Geschäft. Wer heute kauft und in zehn Jahren verkauft, hat seine Rente im Griff. Und/oder mit dem Gewinn sämtliche Reisen nach Marokko finanziert. Inschallah!
    Ewiges Mißverständnis «Inschallah». Wir glauben, es sei Fatalismus, aber es hat wenig damit zu tun. Fast nichts. Gläubige Muslime sagen nach einer Absichtserklärung nur dann «Inschallah» (So Gott will), wenn sie sicher sind, daß sie das Vorhaben einhalten können und einhalten werden, denn sie wollen Allah nicht zu Wundern nötigen. Das «So Gott will» bezieht sich lediglich auf die Dinge, die niemand voraussehen kann, Schicksal, Feuersbrünste und dergleichen. Also Inschallah werde ich in zehn Jahren reich sein, wenn ich jetzt kaufe, blöderweise aber setzt das bereits heute Reichtum voraus. Das Haus, in dem ich derzeit wohne, hätte damals dreißigtausend Euro gekostet, heute kostet es hundertfünfzigtausend, wenn ich es billig kriegen würde, wahrscheinlich jedoch mehr. Und ich fürchte, das habe ich nicht.
    Was ich dagegen nicht fürchte in Marokko, ist der Fundamentalismus.
    Die Marokkaner haben nämlich a) mit Mohammed   VI. einen wirklich guten neuen König, der mit moralischer Integrität UND Intelligenz das Land regiert, und b) sind sie Pragmatiker und keine Idealisten. Beispiel? Aber gern. Die Geschichte spielt in dem Haus, das ich von Mustafa gemietet hatte. Eines Tages klopfte es an meiner Tür, und ein junger Mann sagte mir, der Sharif wolle mich unbedingt sprechen. Der Sharif ist die religiöse Autorität des Stadtviertels, der vor der Polizei und den Gerichten Streitfälle zwischen den Nachbarn schlichtet.
    Omar ging mit mir. «Steck einen Zweihundert-Dirham-Schein in deinen Paß», sagte er. Im Büro des Sharifs angekommen, trafen wir auf einen alten, weiß gekleideten Mann mit langem Bart (auch weiß), der fürchterlich zu schimpfen begann. Was ich eigentlich glaube, wer ich sei. Dies sei ein sehr gutes Viertel, hier könne man nicht einfach mit vier Frauen unehelich zusammenleben und jede Nacht ’ne Party schmeißen. Die laute Musik, der Alkohol und all das. Und: «Paß!!» Ich gab ihm meinen Paß mit dem Zweihundert-Dirham-Schein. Er nahm das Geld raus und schimpfte weiter. In demselben Tonfall, in derselben Lautstärke, mit demselben Einsatz von Mimik und Getue, nur der Text war anders: Was das eigentlich die Nachbarn angehe?! Was die eigentlich glauben würden, wer sie seien? «In Marokko ist das Haus heilig», schrie der Sharif, «da kann jeder machen, was er will!»

Setzt euch nicht auf Kamele!
    (Sahara)
    A m besten reist man von Marrakesch an. Es geht auch von Agadir und Casablanca, aber die alte Königsstadt der Almohaden ist als Ausgangspunkt für eine Reise in die Wüste ideal. Weil sie so schön ist und weil man sich in den vitalen Gassen und den stillen Innenhöfen der Medina-Hotels wunderbar akklimatisieren kann. An die trockene Hitze. Und an die Marokkaner. Und das wäre auch schon mein erster wirklich wichtiger Tip: Glaubt ihnen nicht. Marokkaner haben jede Menge berauschende Eigenschaften (Witz, Charme, Musikalität), aber wahrheitsliebend sind sie nicht. Das ist nicht schlimm, wenn man damit umzugehen weiß. Wenn man freche Lügner als geborene Geschichtenerzähler genießt, macht der Kontakt mit Marokkanern sofort und nur noch Spaß. Also hört nicht auf sie. Hört auf mich. Ich habe sieben Jahre in Marrakesch gelebt, und die Strecke in die Wüste bin ich Minimum zwanzigmal gefahren. Vielleicht irre ich mich, es könnte öfter gewesen sein, aber ich mag nicht zählen, und so wichtig ist es auch nicht. Wichtig ist: Hört auf mich. Und nicht, wenn es zum Beispiel um die Route geht, auf Mohammed, Habib, Mustafa, Abdul oder wie immer euer Fahrer heißen mag.
    Ich sage: am ersten Tag von Marrakesch über den Hohen Atlas und durch das Tal des

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