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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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Herzen.

2
    Der Kuss, das Grab und das Feuer
    Ich habe alles gekauft, was ich brauche. Mehr Alkohol als Nahrungsmittel natürlich, und als meine Gäste am Weihnachtsabend eintreffen, riecht meine Hütte nach Truthahn, Krautsalat und selbstverständlich nach dem Türsteher. Eine Weile ist der Duft des Truthahns stärker, aber der Gestank dieses Hundes ist nicht unterzukriegen.
    Als Erstes kommt Audrey.
    Sie bringt eine Flasche Wein mit und ein paar Plätzchen, die sie gebacken hat.
    »Tut mir Leid, Ed«, sagt sie, als sie hereinkommt, »ich kann nicht besonders lange bleiben.« Sie küsst mich auf die Wange. »Simon hat sich mit seinen Freunden verabredet, und er möchte, dass ich mitkomme.«
    »Willst du denn mitgehen?«, frage ich, obwohl ich weiß, dass sie es möchte. Warum sollte sie die Gesellschaft von drei bedauernswerten Verlierern und einem dreckigen Hund vorziehen? Sie wäre ja verrückt, wenn sie bei uns bleiben würde.
    Audrey antwortet: »Natürlich. Du weißt genau, dass ich nichts tue, was ich nicht will.«
    »Das stimmt«, sage ich, und es ist die Wahrheit.

    Wir fangen an zu trinken, als Ritchie kommt. Wir hören, wie er mit seinem Motorrad in die Straße einbiegt. Er hält vor dem Haus und ruft, dass wir ihm die Eingangstür aufmachen sollen. Er trägt eine große Kühlbox vor sich her, gefüllt mit Garnelen, Lachs und Zitronenscheiben.
    »Nicht schlecht, was?« Er stellt seine Last ab. »Das ist das Mindeste, was ich tun konnte.«
    »Wie hast du das Ding hergeschafft?«, will ich wissen.
    »Was?«
    »Na, die Kühlbox. Du weißt schon - mit dem Motorrad?«
    »Oh, ich habe das Ding hinten draufgeschnallt. Ich habe die ganze Fahrt über mehr oder weniger gestanden. Der Kasten hat den halben Fahrersitz eingenommen.« Ritchie zwinkert uns großzügig zu. »Aber das war es wert.« Für den Inhalt der Kühlbox ist wohl ein halber Monat Sozialhilfe draufgegangen.
    Jetzt warten wir.
    Auf Marv.
    »Ich wette, er lässt sich nicht blicken«, sagt Ritchie, nachdem er es sich gemütlich gemacht hat. Seine Hände betasten die kratzigen Koteletten auf seinen Wangen und sein schlammfarbenes Haar ist so ungewaschen und struppig wie immer. Er wirkt außerordentlich amüsiert, voller Vorfreude. Er sitzt auf dem Sofa, schlürft Bier und benutzt den Türsteher als Fußablage.
    Ritchie ist faul und schlaksig, und wie er so daliegt mit ausgestreckten Füßen, sieht er irgendwie extrem lässig aus.
    »Oh, er wird schon kommen«, widerspreche ich. »Wenn er nicht auftaucht, werde ich den Türsteher zu ihm nach Hause schleppen und Marv zwingen, ihn dort zu küssen.«
Ich setze mein Glas ab. »Ich habe mich schon lange nicht mehr so auf Weihnachten gefreut.«
    »Ich auch nicht«, sagt Ritchie. Er kann es kaum erwarten.
    »Außerdem ist das Essen umsonst«, ergänze ich. »Marv mag ja vierzigtausend Mäuse auf der Bank liegen haben, aber er wird niemals etwas ausschlagen, wofür er nicht bezahlen muss. Glaub mir, er kommt.«
    »Der Geizkragen«, murmelt Ritchie. Wir kommen langsam so richtig in Weihnachtsstimmung.
    »Sollen wir ihn anrufen?«, fragt Audrey.
    »Nein. Er soll von selbst kommen«, grinst Ritchie. Ich kann es förmlich riechen - der heutige Abend wird großartig. Ritchie schaut hinunter zu dem Hund und sagt: »Bist du bereit für deine große Stunde, Türsteher?« Der Türsteher betrachtet ihn, als wollte er sagen: Wovon zum Teufel sprichst du eigentlich, Kumpel? Niemand hat ihn darauf vorbereitet, was ihn heute Abend erwartet. Der arme Köter. Niemand hat ihn gefragt, ob er überhaupt geküsst werden will.
    Schließlich trifft Marv ein. Natürlich mit leeren Händen.
    »Fröhliche Weihnachten«, sagt er.
    »Ja, ja«, erwidere ich, »ebenfalls.« Ich deute auf seine Hände. »Meine Güte, du bist aber heute großzügig, was?«
    Aber ich weiß, was Marv denkt.
    Er denkt, dass ihn die Knutscherei mit dem Türsteher mindestens ein Jahr lang freikauft. Im Übrigen merke ich, dass er noch eine schwache Hoffnung nährt, dass wir sein Versprechen vergessen haben.
    Aber Ritchie macht diese Hoffnung sofort zunichte.
    Er steht auf und sagt: »Na, Marv?« Er grinst.
    »Na was ?«
    »Das weißt du genau«, schaltet sich Audrey ein.

    »Nein«, beharrt Marv, »weiß ich nicht.«
    »Hör schon auf mit dem Scheiß.« Ritchie redet nicht lange um den heißen Brei herum. »Du weißt es sehr wohl. Und wir wissen es auch.« Er genießt die Situation. Ich erwarte fast, dass er sich gleich freudig die Hände reibt. »Marv«,

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