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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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Hollywoodfilm, wo der Held und das Mädchen in die Welt hinausfahren.
    Ich allerdings fahre allein.
    Kein Mädchen.
    Nur ich und der Türsteher.
    Es ist eine Tragödie, dass ich meinen Traum für wahr halte, solange ich schlafe. Das Erwachen ist ein Schock, denn ich bin nicht länger auf der Straße. Stattdessen sehe ich mich dem schnarchenden Türsteher gegenüber, der
sein Hinterbein über die Karte auf dem Boden gestreckt hat. Im Augenblick könnte ich sie mir nicht holen, selbst wenn ich es wollte. Ich mag es nicht, den Türsteher wegzuschieben, wenn er schläft.
    In meiner Schublade warten die anderen Karten auf ihren letzten Gefährten.
    Jede Einzelne ist in sich selbst vollkommen.
    Nur noch eine , denke ich und knie mich aufs Bett, vergrabe meinen Kopf tief in meinem Kissen.
    Ich bete nicht, aber ich bin ziemlich nahe dran.
     
     
    Später stehe ich auf und schiebe den Türsteher doch ein Stück beiseite. Dann lese ich wieder die Worte auf der Karte. Die Schrift ist dieselbe wie auf den anderen Karten, die mir geschickt wurden. Diesmal steht da:
    Fersengeld
Cat Ballou
Ein Herz und eine Krone
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um Filmtitel handelt, obwohl ich keinen davon kenne. Ich glaube, mich zu erinnern, dass »Fersengeld« noch nicht so alt ist. Im Kino in der Glass Street ist er sicher nicht gelaufen, aber wohl in einem dieser merkwürdigen und doch so beliebten Kinozentren in der Stadt. Ich erinnere mich an das Plakat. Es ist, glaube ich, ein spanischer Film, eine Gangsterkomödie mit Gaunern, Schießereien und einem Koffer voller gestohlener Geldscheine. Die anderen beiden Titel sagen mir gar nichts, aber ich kenne genau den Richtigen, der mir in dieser Sache weiterhelfen kann.

    Ich bin bereit. Aber in den wenigen Tagen, die mich noch von Weihnachten trennen, lasse ich mich durch die Arbeit ablenken. Zu dieser Zeit ist immer viel los und daher nehme ich ein paar Extraschichten an und fahre oft nachts. Das Herz-Ass steckt immer in meiner Hemdtasche. Es begleitet mich, wohin ich auch gehe, und ich werde es nicht abwerfen, bis ich fertig bin.
    Aber wird es damit zu Ende sein? , frage ich mich. Wird es mich abwerfen? Doch bereits jetzt weiß ich, dass mich diese ganze Sache mein Leben lang verfolgen wird. Sie wird mich umtreiben, aber ich fürchte, sie wird mir auch ein Gefühl der Dankbarkeit vermitteln. Ich sage »fürchten«, denn manchmal möchte ich nicht, dass sie zu einer schönen Erinnerung wird. Ich fürchte ebenfalls, dass am Ende gar nichts zu Ende sein wird. Die Dinge gehen einfach weiter, solange die Erinnerung das Sagen hat und immer eine weiche Stelle in deinen Gedanken findet, um an die Oberfläche zu schlüpfen.
     
     
    Zum ersten Mal seit Jahren verschicke ich Weihnachtskarten.
    Allerdings keine Karten mit Weihnachtsmännern oder Tannenbäumen. Ich krame ein paar alte Kartenspiele hervor und hole sämtliche Asse heraus. Eine Karte für jeden Ort, den ich besucht habe. Ich schreibe ein paar Worte darauf und stecke sie jeweils in einen kleinen Umschlag, den ich mit »Frohe Weihnachten von Ed« beschrifte. Sogar die Rose-Brüder bekommen eine Karte.
    An einem Abend, bevor die Nachtschicht anfängt, fahre ich herum und liefere die Karten ab. Meistens kann ich ungesehen entkommen. Nur Sophie erwischt mich, und
ich muss zugeben, dass ich mir das irgendwie gewünscht habe.
    Insgeheim empfinde ich für Sophie etwas Besonderes. Vielleicht liebt ein Teil von mir dieses Mädchen, weil sie eine ewige Verliererin ist, genauso wie ich. Aber ich weiß, dass es mehr ist als das.
    Sie ist schön.
    Auf ihre ganz eigene Art.
    Nachdem ich den Umschlag in den Briefkasten gesteckt habe, drehe ich mich um und gehe rasch weg, so wie bei allen anderen Adressen auch. Aber ihre Stimme sinkt zu mir herab und ich schaue zu ihrem Fenster hinauf.
    »Ed?«, ruft sie mir zu.
    Ich drehe mich um, und sie ruft noch einmal, bittet mich, auf sie zu warten. Kurz darauf steht sie in der Eingangstür. Sie trägt ein weißes T-Shirt und zierliche blaue Turnschuhe. Ihre Haare hat sie zurückgebunden, aber ihr Pony ergießt sich auf ihr Gesicht.
    »Ich hab dir nur eine Weihnachtskarte gebracht«, sage ich. Plötzlich komme ich mir dumm und linkisch vor, wie ich da in ihrer Einfahrt stehe.
    Sie öffnet den Umschlag und liest die Karte.
    Auf ihre habe ich noch etwas Besonderes geschrieben, unter das diamantförmige Karo.
    »Du bist schön« , habe ich geschrieben, und ich sehe, wie ihre Augen ein klein wenig schmelzen, als

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