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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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will.
    Ich sitze auf der Veranda, zusammen mit dem Türsteher und der untergehenden Sonne. Ich überlege mir drei Taktiken für Marv.
     
     
    Taktik Nummer eins: Mit ihm streiten.
    Das wäre ein Kinderspiel. Ich müsste nur auf sein Auto zu sprechen kommen und ihn fragen, warum er sich kein neues kauft.
    Die Gefahr hierbei besteht darin, dass Marv sich so aufregen könnte, dass er mich einfach stehen lässt und ich gar nichts erfahre. Das wäre gelinde gesagt eine Katastrophe.
    Der Vorteil an der Sache wäre, dass es amüsant zu werden verspricht und dass ich ihn möglicherweise tatsächlich dazu bringen kann, sich einen neuen Wagen zuzulegen.
     
     
    Taktik Nummer zwei: Ihn so betrunken machen, dass er die Wahrheit von alleine ausspuckt.
    Nachteil: Um Marv in einen Zustand der Besinnungslosigkeit zu versetzen, müsste ich mitmachen. Was bedeutet, dass ich vermutlich überhaupt nichts begreifen würde, geschweige
denn mich in nüchternem Zustand daran erinnern könnte, was er gesagt hat.
    Vorteil: Es würde keinerlei Anstrengung bedeuten und ich bräuchte mich auch nicht in Überredungskünsten ergehen. Ich würde einfach hoffen, dass er von selbst damit anfängt. Sehr unwahrscheinlich, ich weiß, aber vielleicht einen Versuch wert.
     
     
    Taktik Nummer drei: Ihn ohne Umschweife danach fragen.
    Das ist wohl der gefährlichste Weg, denn es kann dazu führen, dass Marv sich vollkommen verweigert (wir alle wissen, dass er dazu in der Lage ist) und kein Wort mehr aus sich herausquetschen lässt. Wenn Marv meine plötzliche Sorge um ihn unheimlich vorkommt (und ich muss leider zugeben, dass ich in der Regel so tue, als wäre er mir völlig egal), dann könnte ich alle anderen Möglichkeiten und Taktiken gleich in die Tonne treten.
    Der Vorteil daran wäre allerdings, dass es offen und ehrlich sein und keine Mühe machen würde. Entweder funktioniert es oder eben nicht. Wieder einmal hängt alles vom richtigen Zeitpunkt ab.
     
     
    Welche Taktik probiere ich als Erstes aus?
    Das ist eine schwierige Frage, und es dauert eine Weile, bis ich auf die Antwort stoße.
    Das Undenkbare geschieht.
    Ein vierter Weg eröffnet sich mir, direkt vor meinen Fü ßen.
    Wo?
    Im Supermarkt.
    Wann?

    Donnerstagabend.
    Wie?
    So:
     
     
    Ich gehe hinein und kaufe Lebensmittel für etwa vierzehn Tage ein, kämpfe mich mit meinen Tüten wieder aus dem Laden. Schon jetzt schneiden mir die Griffe in die Finger, und ich setze sie ab, damit das Blut wieder zirkulieren kann.
    Ein obdachloser alter Mann stellt sich mir schweigend entgegen, samt seinem Bart, seiner Zahnlücke und seiner Armut.
    Seine Miene blutet.
    Zögernd fragt er mich, ob ich ein bisschen Kleingeld für ihn habe. Die Demütigung liegt auf seinen Lippen.
    Sobald er seinen Spruch aufgesagt hat, kauern sich seine Augen beschämt nieder. Er rührt mich an, aber er weiß es nicht, bis er merkt, wie ich in meiner Jacke nach meiner Geldbörse fische.
    In diesem Moment, als meine Finger nach dem Geld suchen, fliegt mir die Lösung zu. Sie fällt mir zu Füßen und starrt zu mir empor.
    Natürlich!
    Die innere Stimme erhebt sich und überreicht mir die Antwort in Form eines plötzlichen, vollkommenen Gedankens. Ich spreche sie sogar laut aus, damit ich daran glauben kann. Um mich daran zu erinnern.
    »Ich muss ihn um Geld bitten.« Ich flüstere die Worte so leise, dass selbst ich Mühe habe, sie zu hören. Dann schiebe ich sie wieder in mein Inneres zurück.
    »Wie bitte?«, fragt mich der Mann, noch immer mit leiser, demütiger Stimme.

    »Ich muss ihn um Geld bitten«, sage ich wieder, aber diesmal spreche ich lauter. Ich kann mich einfach nicht beherrschen.
    Aus lauter Gewohnheit sagt der alte Mann. »Bitte entschuldigen Sie.« Sein Gesicht schrumpft. »Es tut mir Leid, dass ich Sie um Geld bitten muss.«
    Ich ziehe einen Fünf-Dollar-Schein hervor und reiche ihn dem Mann.
    Er hält ihn fest, als sei es die Offenbarung. Es passiert wohl selten, dass ihm jemand einen Geldschein gibt. »Gott segne Sie.« Er wirkt völlig von dem Geld hypnotisiert, während ich wieder meine Einkaufstüten hochhebe.
    »Nein«, sage ich. »Gott segne Sie .« Und dann mache ich mich auf den Heimweg.
    Die Griffe der Tüten schneiden mir in die Finger, aber es kümmert mich nicht. Nein, es kümmert mich überhaupt nicht.

7
    Der geheime Marv
    Er arbeitet. Er trinkt. Er spielt Karten. Er freut sich das ganze Jahr lang auf den Knochenbrecher.
    Das.
    Ist Marvs Leben.
     
     
    Das - und vierzigtausend

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