Der Joker
erschreckt mich.
Ich bin fast am Einschlafen, als ich schließlich eine Tür zuschlagen höre. Simons Wagen springt an. Er wendet, ungeschickt und vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, und lässt dann die Häuserreihe hinter sich. Eine Minute vergeht, aber ich weiß, dass die Zeit gekommen ist. Ich spüre es.
Der Kassettenrekorder. Das Licht.
Und dann meine Schritte in Richtung Audreys Haustür.
Ich klopfe.
Nichts rührt sich.
Wieder balle ich meine Hand zur Faust, aber gerade als ich noch einmal auf das Holz einschlagen will, geht die Tür einen Spalt weit auf, und Audreys müde Stimme schiebt sich hindurch. »Hast du was vergessen…?« Ihre Stimme lehnt sich an.
»Ich bin’s«, sage ich.
»Ed?«
»Ja.«
»Was machst du...?«
Mein Hemd fühlt sich wie Beton an. Ich trage hölzerne Jeans, Socken aus Schmirgelpapier und bleierne Schuhe.
»Ich bin hier«, flüstere ich, »wegen dir.«
Audrey, das Mädchen, die Frau, in einem rosafarbenen Nachthemd.
Sie öffnet die Tür, steht barfuß vor mir und schiebt mit der
Faust ein bisschen Schlaf aus den Augen. Sie erinnert mich an Angelina, das kleine Mädchen aus der Edgar Street.
Langsam nehme ich ihre Hand und führe sie aus dem Haus. Die Schwere ist nun von mir gewichen. Nur noch sie und ich. Ich stelle den Kassettenrekorder zwischen die Zweige und das Laub im Vorgarten, gehe in die Hocke und drücke die Play-Taste.
Zuerst ertönt ein leichtes Rauschen. Dann fängt die Musik an. Wir beide hören die langsame, ruhige, süße Melancholie eines Liedes, das ich nicht beim Namen nennen will. Stell dir einfach das sanfteste, härteste und schönste Lied vor, das du kennst, und du weißt, was wir hören. Wir atmen die Musik ein und meine Augen verschränken sich mit Audreys.
Ich komme näher und halte ihre Hände.
»Ed, was...?«
Ich lege ihr den Finger auf die Lippen.
Ich lege meine Arme um ihre Hüften und sie hält mich ebenso fest wie ich sie.
Dann schlingt sie ihre Hände um meinen Nacken und lehnt ihren Kopf an meine Schulter. Ich kann den Sex auf ihrer Haut riechen, und meine einzige Hoffnung ist, dass sie die Liebe auf meiner riechen kann.
Die Musik sinkt tief.
Die Stimme hebt sich empor.
Es ist die Musik der Herzen, aber diesmal viel schöner, und wir bewegen uns und drehen uns und Audreys Atem legt sich auf meinen Nacken. »Mmh«, stöhnt sie sanft. Wir tanzen auf dem Bürgersteig. Wir halten einander. Einmal lasse ich sie los und drehe sie langsam um die eigene Achse. Sie kommt zu mir zurück und begrüßt mich mit einem kleinen, klitzekleinen Kuss auf den Hals.
»Ich liebe dich«, will ich sagen, doch das ist nicht nötig.
Der Himmel überzieht sich mit Feuer und ich tanze mit Audrey. Selbst als das Lied zu Ende ist, halten wir einander noch eine Weile fest. Ich glaube, wir haben drei Minuten lang getanzt.
Drei Minuten, um ihr zu sagen, dass ich sie liebe.
Drei Minuten, damit sie zugeben kann, dass sie diese Liebe erwidert.
Sie sagt es mir, als wir einander loslassen, aber keine Liebesschwüre dringen aus ihrem Mund. Sie schließt nur ein Auge leicht und schaut mich mit schräg liegendem Kopf an. »So, so, Ed Kennedy, hm?«
Ich lächle.
Sie deutet mit dem Finger auf mich. »Aber nur dich, verstanden?«
»Einverstanden«, sage ich. Ich starre auf Audreys nackte Füße, auf ihre Fesseln, ihre Schienbeine, hinauf, hinauf zu ihrem Gesicht. Ich schieße ein Foto von ihr in meinen Gedanken. Ihre müden Augen und ihr zerzaustes strohfarbenes Haar. Das Lächeln, das leicht an ihren Lippen kratzt. Ihre kleinen Ohren und die glatte Nase. Und die letzten Überreste von Liebe, die sich noch festklammern...
Drei Minuten lang hat sie ihre Liebe für mich zugelassen.
Können drei Minuten eine Ewigkeit dauern? , frage ich mich, aber ich kenne die Antwort bereits.
Wahrscheinlich nicht , antworte ich mir, aber vielleicht dauern sie lange genug.
K
Das Ende
Ich hebe den Kassettenrekorder auf und wir stehen noch eine Weile da. Sie bittet mich nicht ins Haus und ich dränge sie nicht dazu.
Was getan werden musste, wurde getan, und so drehe ich mich um und sage: »Also, wir sehen uns, Audrey. Vielleicht beim nächsten Kartenspiel. Vielleicht auch vorher.«
»Schon bald«, versichert sie mir. Mit dem Kassettenrekorder unter dem Arm trete ich den Heimweg an.
Zwölf Botschaften habe ich überbracht.
Vier Asse habe ich abgelegt.
Es kommt mir so vor, als sei dies der schönste Tag meines Lebens.
Ich bin noch da , denke ich. Ich
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