Der Joker
notwendigerweise auch mir etwas bedeuten.
»Mach’s gut, Ed«, sagt er, und anhand seiner Stimme merke ich, dass er im Augenblick ganz zufrieden ist.
Die Nacht ist dunkel, aber wunderschön, und ich gehe zu Fuß nach Hause. Einmal bleibe ich unter einer flackernden Straßenlaterne stehen und schaue mir das Pik-Ass an. Ich habe es bereits mehrmals betrachtet, zu Hause und auf Mervs Veranda. Die Wahl der Farbe verunsichert mich, denn ich hatte fest mit Herz gerechnet. Mit Herz wäre der große Unbekannte dem Rot-Schwarz-Muster gefolgt, und außerdem habe ich geglaubt, dass Pik, die gefährlichste Farbe, als Letztes kommen würde.
Auf der Karte stehen drei Namen:
Graham Greene
Morris West
Sylvia Plath
Die Namen kommen mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Ich kenne diese Leute nicht, aber ich habe von allen dreien gehört. Ganz bestimmt. Als ich nach Hause komme, schlage ich die Namen im Telefonbuch nach. Es gibt einen Greene und ein paar Wests, aber niemanden mit einem G oder M als Anfangsbuchstaben des Vornamens. Vielleicht leben unter diesen Adressen ja noch andere Leute desselben Nachnamens. Ich beschließe, morgen eine Tour durch die Stadt zu machen.
Im Wohnzimmer ruhe ich mich zusammen mit dem Türsteher
aus. Ich habe im Backofen Pommes frites gemacht und wir teilen sie uns. Ich spüre, wie mein Körper an den Nachwirkungen des Knochenbrechers leidet, und um Mitternacht kann ich mich kaum noch bewegen. Der Türsteher liegt zu meinen Füßen und ich sitze da und warte auf den Schlaf.
Mein Kopf fällt in den Nacken.
Das Pik-Ass fällt mir aus der Hand und rutscht in die Spalte zwischen Polster und Sofalehne.
Ich träume.
Die Nacht ist lang, und ich bin gefangen in einer Traumwelt, die es mir unmöglich macht zu sagen, ob ich wach bin oder schlafe. Als ich gegen Morgen kurz aufwache, befinde ich mich immer noch auf dem Sportplatz und renne hinter der Frau her, die mir die Karte gebracht hat. Gleichzeitig streite ich mich mit dem kleinen Jungen. Um den Preis.
Später träume ich, dass ich wieder in der Schule bin, aber außer mir ist niemand sonst da. Die Luft im Klassenzimmer ist staubig, gelb. Ich sitze da, hinter meinen Büchern, die auf dem Tisch verstreut liegen, und vor den Worten auf der Tafel. Die Worte sind mit schneller Schrift geschrieben und ich kann sie nicht entziffern.
Eine Frau kommt herein.
Eine Lehrerin mit langen, hageren Beinen, schwarzem Rock, weißer Bluse und einer roten Jacke. Sie ist fast fünfzig, aber trotzdem irgendwie sexy. Sie beachtet mich die meiste Zeit gar nicht, bis die Glocke läutet, so laut, als würde sie direkt vor der Tür im Flur hängen. Jetzt erst nimmt sie meine Anwesenheit zur Kenntnis.
Sie schaut auf.
»Es ist Zeit anzufangen, Ed.«
Ich bin bereit. »Ja?«
»Würdest du bitte lesen, was hinter mir an der Tafel steht?«
»Das kann ich nicht.«
»Warum nicht, in Gottes Namen?«
Ich konzentriere mich noch stärker auf die Worte, aber ich kann sie immer noch nicht entziffern. Sie schüttelt jetzt den Kopf. Ich spüre ihre Enttäuschung, während meine Augen auf der Tischplatte meines Schreibtischs kleben. Ich starre lange Zeit unter mich und bin tatsächlich aufgewühlt, weil ich diese Frau im Stich gelassen habe.
Ein paar Minuten später.
Höre ich es.
Ein Geräusch wie ein Peitschenknall, gefolgt von einem merkwürdigen Knarren, dringt an mein Ohr.
Ich schaue auf, und was ich sehe, ist ein Schock für mich. Es hämmert mir die Luft aus den Lungen - vor der Tafel hängt die Lehrerin an einem Seil.
Sie ist tot.
Sie baumelt hin und her.
Die Deckenverkleidung ist verschwunden und das Seil ist fest an einen Balken gebunden.
Völlig entsetzt sitze ich da, atme verbissen ein und aus, ersticke an Luft, der scheinbar jeglicher Sauerstoff abhanden gekommen ist. Meine Hände sind mit der Tischplatte verschweißt, und ich muss sie förmlich losreißen, als ich aufstehe und Hilfe holen will. Meine rechte Hand berührt die Türklinke. Dann, langsam, halte ich inne und drehe mich wieder zu der Frau, die da am Seil hängt.
Langsam.
Fast kriechend.
Gehe ich zu ihr und schaue ihr ins Gesicht.
Gerade als ich mir einbilde, dass sie recht friedlich aussieht, reißt sie die Augen auf und spricht.
Ihre Stimme ist erstickt und rau.
»Erkennst du die Worte jetzt, Ed?«, fragt sie. Ich stehe da, schaue an ihr vorbei an die Tafel. Jetzt sehe ich den Titel ganz oben und kann die Worte lesen.
»Dunkles Haus.«
In diesem
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