Der Joker
bitte? Du nennst dich Bibliothekar und weißt nicht, wer das ist?«
Er nimmt mich jetzt ernst und sagt mit einem leicht hinterhältigen Lächeln: »Touché.«
Touché.
Diesen Ausdruck kann ich nicht leiden.
Nichtsdestotrotz erweist sich der Typ jetzt als eine echte Hilfe. Er sagt: »Die Karteikarten benutzen wir nicht mehr. Es steht jetzt alles im Computer. Komm mit.«
Wir gehen zu den Computern, und er sagt: »Alles klar, sag mir einen Namen.«
Ich komme ins Stottern, weil ich ihm keine der Personen nennen will, die auf dem Pik-Ass stehen. Also sage ich Shakespeare.
Er tippt den Namen ein und auf dem Bildschirm erscheinen alle Titel. Dann tippt er die Nummer, die neben »Macbeth«
steht, und die genauen Angaben tauchen auf. »So geht das. Siehst du?«
Ich schaue mir den Bildschirm an und habe verstanden. »Danke.«
»Sag einfach Bescheid, wenn du Hilfe brauchst.«
»Mach ich.«
Er verzieht sich und ich bin allein mit den Schriftstellern und dem Bildschirm.
Als Erstes nehme ich mir Graham Greene vor. Ich halte mich an die Reihenfolge auf der Spielkarte. Ich durchsuche meine Taschen nach einem Stück Papier, aber alles, was ich finde, ist eine zerknüllte Serviette. Am Tisch ist ein Stift angebunden. Als ich den Namen eingebe, tauchen alle Titel von Graham Greene auf dem Bildschirm auf.
Einige dieser Titel sind einfach brillant.
»Der menschliche Faktor«.
»Jagd im Nebel«.
»Das Herz aller Dinge«.
»Die Kraft und die Herrlichkeit«.
»Unser Mann in Havanna«.
Ich schreibe sie alle auf die Serviette und auch die Nummern, mit denen ich die Bücher anfordern kann.
Als Nächstes tippe ich Morris West ein. Einige seiner Titel sind genauso gut wie die von Greene, wenn nicht sogar besser.
»Des Teufels Advokat«.
»In den Schuhen des Fischers«.
»Kinder des Schattens«.
»Der Turm von Babel«.
»Damaskus schweigt«.
Jetzt Sylvia.
Ich muss zugeben, dass ich an ihr einen Narren gefressen habe, weil ich schon einmal etwas von ihr gelesen habe und es ihre Worte waren, die im Traum zu mir gekommen sind. Wenn sie nicht gewesen wäre, würde ich nicht hier sitzen, wäre der Erkenntnis, wohin ich gehen muss, noch kein Stück näher gekommen. Ich will, dass ihre Titel die besten sind, und ob ich nun voreingenommen bin oder nicht - ich finde, sie sind es.
»Die Bibel der Träume«.
»Ariel«.
»Zungen aus Stein«.
»Die Glasglocke«.
Ich nehme die Serviette mit zu den Bücherregalen und schaue mir alle Bücher an, der Reihe nach. Sie alle sind einfach herrlich. Alt und mit festem Einband, in einfachem Rot, Schwarz oder Blau gehalten. Ich nehme sie alle mit und setze mich an einen Tisch.
Und jetzt?
Wie zum Teufel soll ich es schaffen, sie alle innerhalb von einer oder zwei Wochen zu lesen? Vielleicht Sylvias Gedichte, aber die anderen beiden haben ein paar ziemlich dicke Wälzer geschrieben. Hoffentlich sind sie wenigstens gut.
»Ähm«, sagt der Mann am Empfang. Ich stehe mit all den Büchern vor ihm. »Du kannst nicht so viele Bücher auf einmal ausleihen. Es gibt eine Obergrenze, weißt du? Hast du überhaupt eine Karte?«
»Was für eine Karte?« Ich kann’s nicht lassen. »Eine Spielkarte? Eine Kreditkarte? Was für eine Karte meinst du?«
»Schon gut, Klugscheißer.«
Wir beide haben unseren Spaß daran und dann greift er unter den Tisch und gibt mir ein Blatt Papier.
»Bitte ausfüllen.«
Nachdem ich meine Ausleihkarte habe, versuche ich, ihn ein bisschen weichzuklopfen, damit ich alle Bücher mitnehmen darf.
»Danke für deine Hilfe vorhin, Kumpel. Das war wirklich sehr freundlich.«
Er schaut hoch. »Du willst immer noch alle Bücher haben, stimmt’s?«
»Stimmt.« Ich hebe sie vom Boden hoch und stapele sie auf dem Tisch. »Ich brauche sie wirklich und auf die eine oder andere Weise werde ich sie auch kriegen. Nur in einer so kranken Gesellschaft wie der unseren wird ein Mann schief angeschaut, weil er zu viele Bücher liest, das muss man sich echt mal geben!« Ich lasse meinen Blick durch die leere Bücherei schweifen. »Man kann ja nicht gerade behaupten, dass dir die Leute hier die Bude einrennen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet heute irgendjemand anderes ausgerechnet diese Bücher ausleihen will.«
Er lässt mich ausreden und arbeitet dabei seelenruhig weiter. »Um ehrlich zu sein«, sagt er, »mir persönlich ist das völlig egal. Wenn es nach mir ginge, könntest du so viele Bücher ausleihen, wie du willst. Aber so sind die Regeln.
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