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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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in der Hand, als ich zu ihm komme. Ganz fest hält er sie. Er sieht aus, als ob er sie nicht ohne Widerstand hergeben würde. Und wie sich herausstellt, würde ich auch damit Recht behalten.
     
     
    »Nein«, sagt er.
    »Hör zu.« Das Letzte, wonach mir der Sinn steht, ist, diesen kleinen Jungen vermöbeln zu müssen. »Gib mir einfach die Karte.«

    »Nein!« Der Junge verzieht sein Gesicht, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen.
    »Also, was hat die Frau zu dir gesagt?«
    »Sie hat gesagt...« Er wischt sich die Augen. »Sie hat gesagt, dass die Karte dem Besitzer des Hundes gehört.«
    »Nun, das bin ich«, sage ich.
    »Nein, er gehört mir. Der Hund gehört mir!«
    Ach, warum sind es nicht Keith und Daryl oder ein Dutzend anderer Schläger? , denke ich. Alles wäre mir lieber als diese Rotznase.
    »Also gut.« Ich gehe nach einem anderen Plan vor. »Ich gebe dir zehn Dollar für den Hund und die Karte.«
    Der Kleine ist nicht dumm. »Zwanzig.«
    Ich bin nicht erfreut, um es vorsichtig auszudrücken, aber ich bitte Audrey um einen Zwanziger, und sie gibt ihn mir. »Kriegst du nachher wieder«, versichere ich ihr.
    »Kein Problem.«
    Ich bezahle die zwanzig Dollar und bekomme im Gegenzug den Türsteher und die Karte.
    »War schön, Geschäfte mit dir zu machen.« Der kleine Mistkerl sonnt sich in seinem Erfolg.
    Ich hätte ihn am liebsten erwürgt.
     
     
    Es ist nicht das, was ich erwartet habe.
    »Pik«, sage ich zu Audrey.
    Sie steht so nah bei mir, dass ihre Haare meine Schulter berühren. Der Türsteher steht auf meinem Fuß.
    »Und du«, fahre ich ihn an. »Du bleibst das nächste Mal gefälligst da.«
    Okay, okay , erwidert er und unterdrückt mit einem Hustenanfall ein Kichern.

    Und im nächsten Moment kotzt er ein Stück Lakritze aus. Die Schuld kriecht ihm in die Augen.
    »Das wird dir eine Lehre sein«, sage ich und deute hämisch mit dem Finger auf ihn. Er versucht, mich zu ignorieren.
    »Geht es ihm gut?«, fragt Audrey, als wir gemeinsam weggehen.
    »Natürlich«, antworte ich. »Der wird mich noch überleben, dieser gefräßige Köter.« Aber insgeheim muss ich grinsen.

3
    Graben
    Es sieht so aus, als hätten wir das Spiel gewonnen, und bei Merv dem Schnurrbart steigt eine Siegesfeier. Marv ruft mich abends an und befiehlt mich dorthin, weil die anderen mich zum besten Spieler gewählt haben. Immerhin habe ich den Neandertaler ausgeschaltet.
    »Du musst kommen, Ed.«
    Also komme ich.
     
     
    Wieder gehe ich vorher bei Audrey vorbei, aber sie ist nicht da. Ich nehme an, dass sie mit ihrem Freund unterwegs ist. Aus lauter Frust wäre ich beinahe umgedreht und nicht bei Merv erschienen, überlege es mir aber doch anders.
    Niemand erkennt mich.
    Niemand spricht mit mir.
    Zuerst kann ich nicht einmal Marv finden, aber er spürt mich ein bisschen später auf der Veranda auf.

    »Da bist du ja. Wie fühlst du dich?«
    Ich schaue meinen Freund an und sage: »Besser als je zuvor.« Hinter uns hören wir die betrunkenen Gäste grölen und johlen. Ein paar Leute haben sich ins Schlafzimmer verzogen und tun dort, was Leute dort gemeinhin tun.
    Wir sitzen eine Weile beieinander und Marv erzählt mir vom weiteren Verlauf des Spiels. Er fragt mich, wohin ich verschwunden bin, aber ich erzähle ihm bloß, dass mir schlecht geworden ist und ich nicht mehr weitermachen konnte. Wir sprechen ausführlich darüber, wie ich den Neandertaler zu Boden geschickt habe.
    »Das war großartig«, lobt Marv.
    »Vielen Dank.« Ich bemühe mich, das aufkommende Schuldgefühl runterzuschlucken. Er - oder sie? - tut mir immer noch Leid.
    Nach weiteren zehn Minuten habe ich den Eindruck, dass Marv gerne wieder hineingehen würde.
    In meiner Tasche steckt die neue Karte.
    Das Pik-Ass.
    Der Gedanke daran lässt mich tiefer in die Straße hineinschauen, als ob ich dort die Ereignisse finden könnte, die die Zukunft für mich bereithält. Ich bin glücklich.
    »Was ist los?«, fragt Marv. »Was grinst du so, Herschaffen?« Herschaffen , denke ich, und wir beide lachen und fühlen uns einen Augenblick lang eng verbunden. »Komm schon«, fährt Marv fort, »was ist los, Ed?«
    »Es ist Zeit zum Graben«, sage ich und gehe die Stufen der Veranda hinunter. »Ich muss gehen, Marv. Tut mir Leid. Bis dann.«
    Ich fühle mich nicht gut dabei, denn in letzter Zeit scheine ich Marv ständig stehen zu lassen. An diesem Abend lässt
er mir ein bisschen Luft. Ich glaube, er begreift endlich, dass die Dinge, die ihm wichtig sind, nicht

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