Der Joker
setze mich auf. »Na klar.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Ist das der einzige Grund, warum du hier bist - um mir vorzuhalten, dass ich mit einem Mann zum Essen verabredet war? Ich habe Bedürfnisse, weißt du?«
Bedürfnisse.
Hör sie dir an.
Sie geht an mir vorbei zur Tür und steckt den Schlüssel ins Schloss. »Also, Ed, wenn du nichts dagegen hast - ich bin sehr müde.«
Jetzt.
Der Moment.
Beinahe hätte ich gekniffen, aber heute Abend stehe ich auf. Ich weiß ganz genau, dass ich der einzige Spross dieser Frau bin, den sie in einer solchen Situation nicht ins Haus bitten wird. Wenn meine Schwestern hier wären, würde sie jetzt schon Kaffee kochen. Wenn es Tommy wäre, würde sie ihn fragen, ob ihn seine Professoren an der Universität gut behandeln, und ihm eine Cola und ein Stück Kuchen anbieten.
Aber an mir, Ed Kennedy, ganz genauso ihr Fleisch und Blut wie ihre anderen Kinder, geht sie vorbei. Mir verweigert sie die Freundlichkeit, mich bittet sie nicht herein. Ich wünsche mir, dass sie nur ein einziges Mal ein kleines bisschen liebenswürdig zu mir ist.
Die Tür hat sich schon fast geschlossen, da halte ich sie mit der Hand auf.
Es erklingt ein Geräusch, als ob jemand eine Ohrfeige bekommen hätte.
Ihr Gesicht wird hart.
Ich spreche, deutlich und unmissverständlich.
»Ma?«, sage ich.
»Was?«
»Warum hasst du mich so sehr?«
Jetzt schaut sie mich an, diese Frau, während ich mich bemühe, dass meine Augen mich nicht verraten.
Tonlos, ohne Umschweife, antwortet sie mir.
»Weil du mich so sehr an ihn erinnerst, Ed.«
Ihn?
Dann begreife ich.
Ihn - an meinen Vater.
Sie geht ins Haus und die Tür schlägt zu.
Ich war gezwungen, einen Mann zu den Klippen zu bringen und so zu tun, als wollte ich ihn umbringen. Zwei Schläger haben in meiner Küche Pasteten gegessen und mich grün und blau geprügelt. Und ich musste mich von ein paar aufgebrachten Teenagern vermöbeln lassen.
Doch dies ist meine dunkelste Stunde.
Da stehe ich.
Verletzt.
Auf der Veranda meiner Mutter.
Der Himmel öffnet sich, fällt auseinander.
Ich möchte mit meinen Händen und meinen Füßen gegen die Tür hämmern.
Ich tue es nicht.
Ich sinke nur auf die Knie, gefällt, niedergemäht von der Brutalität ihrer Worte. Ich versuche, etwas Gutes darin zu sehen, denn ich habe meinen Vater geliebt. Abgesehen von seinem Alkoholproblem glaube ich nicht, dass es eine Schande ist, ihm ähnlich zu sein.
Warum fühle ich mich dann so schrecklich?
Ich rühre mich nicht.
Im Gegenteil - ich schwöre mir, dass ich diese beschissene Veranda nicht verlassen werde, bis ich die Antworten bekommen habe, die mir zustehen. Ich werde hier
schlafen, wenn es sein muss, und morgen den ganzen Tag in der sengenden Hitze hier warten. Ich stehe auf und rufe.
»Ich gehe nicht weg, Ma!« Noch einmal. »Hörst du mich? Ich gehe nicht weg.«
Nach etwa einer Viertelstunde wird die Tür aufgezogen, aber ich schaue meine Mutter nicht an. Ich drehe mich um und spreche die Straße an, sage: »Du behandelst die anderen so gut - Leigh, Kath und Tommy. Es ist, als ob...« Ich lasse nicht zu, dass ich schwach werde. Ich halte mich zurück. »Aber mir gegenüber benimmst du dich so, als würdest du mich nicht im Mindesten respektieren. Dabei bin ich derjenige, der hier ist.« Jetzt schaue ich sie an. »Ich bin hier, wenn du etwas brauchst. Und jedes Mal wenn du mich um etwas bittest, tue ich es, oder etwa nicht?«
Sie nickt. »Ja, Ed.« Im nächsten Moment stürzt sie sich wie ein Habicht auf mich. Sie greift mich mit ihrer Version der Wahrheit an. Die Worte schneiden mir so messerscharf in die Ohren, dass ich fast erwarte, es müsse Blut aus ihnen hervorquellen. »Ja, du bist hier und genau das ist der Punkt!« Sie breitet die Arme aus. »Schau dir dieses Dreckloch an! Das Haus, die Stadt, einfach alles.« Ihre Stimme ist dunkel. »Und was deinen Vater angeht - er hat mir versprochen, dass wir eines Tages von hier weggehen würden. Er hat mir versprochen, dass wir packen und wegziehen würden, und schau dir an, wo wir sind, Ed. Wir sind immer noch hier. Ich bin hier. Du bist hier und genau wie bei deinem alten Herrn kommt von dir auch nur leeres Geschwätz. Nur Worte, keine Taten. Du...« Giftig deutet sie mit dem Finger auf mich. »Du könntest genauso viel erreichen
wie die anderen. Sogar so viel wie Tommy... Aber du bist immer noch hier und du wirst auch in fünfzig Jahren noch hier sein.« Sie klingt so kalt. »Und du wirst
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