Der Joker
haben Ihnen doch nicht etwa wehgetan, oder?«
»Oh nein. Nein, sie waren sehr freundlich. Liebenswürdig. Sie kamen vor etwa einem Monat und haben sich ›Keine Zeit für Heldentum‹ angeschaut. Bevor sie wieder gingen, erklärten sie mir, dass mich ein Mann namens Ed Kennedy besuchen würde. Und dann sagten sie mir, dass Sie eine Lieferung zu erwarten hätten, wenn Sie fertig sind.«
»Und wann bin ich fertig?«
Er streckt die Hände aus. »Sie meinten, das wüssten Sie selbst am besten.« Sein Gesicht verzieht sich, als würde er mit mir leiden. » Sind Sie fertig?«
Ich schüttele den Kopf. »Ich habe nicht den Eindruck, nein.« Ich schaue zur Seite und dann wieder zu ihm. »Ich muss etwas für Sie tun. Etwas Gutes, würde ich in Ihrem Fall vermuten.«
»Warum?«
Beinahe hätte ich ihm gesagt, dass ich es nicht wüsste, aber ich weigere mich zu lügen. »Weil Sie es nötig haben.«
Braucht er ein volles Haus, so wie Vater O’Reilly?
Ich habe meine Zweifel. Nicht das Gleiche noch einmal.
»Vielleicht«, und damit kommt er wieder näher, »sind Sie fertig, wenn Sie noch einmal herkommen und sich den kostenlosen Film anschauen.«
»Also schön«, sage ich.
»Sie können Ihre Freundin mitbringen«, schlägt er vor. »Sie haben doch eine Freundin, oder, Ed?«
Ich sonne mich in der Vorstellung.
»Ja«, sage ich. »Ich habe eine Freundin.«
»Nun, dann bringen Sie sie mit.« Er reibt sich die Hände. »Nur Sie und das Mädchen vor der großen Leinwand.« Ein schelmisches Lachen poltert aus seinem Mund. »Als ich noch jung war, habe ich ständig Mädchen mit hierher gebracht. Das ist der Grund, warum ich das Kino gekauft habe, nachdem ich mich zur Ruhe gesetzt habe. Ich war Bauarbeiter.«
»Haben Sie jemals Geld mit dem Laden verdient?«
»Oh, Himmel, nein. Das brauche ich nicht. Ich lege nur gerne die alten Filme ein, schaue sie mir an und schlafe ein bisschen. Meine Frau sagt, dass das Kino unsere Ehe friedlicher macht - also: Warum nicht?«
»So gesehen...«
»Also, wann, glauben Sie, können Sie kommen?«
»Vielleicht morgen.«
Er reicht mir einen Katalog, der den Umfang einer Enzyklopädie hat, und schlägt mir einen Film vor, aber das ist nicht nötig.
»Nein, danke«, sage ich zu ihm. »Ich weiß genau, was ich will.«
»Wirklich? Ohne nachzudenken?«
Ich nicke. »›Der Unbeugsame‹.«
Wieder reibt er sich die Hände und grinst. »Eine ausgezeichnete Wahl. Ein großartiger Film. Paul Newman ist hervorragend und George Kennedy - Ihr Namensvetter - nun, einfach unvergesslich... Halb acht morgen Abend?«
»Prima.«
»Sehr schön. Dann sehe ich Sie und Ihr Mädchen morgen Abend. Übrigens, wie heißt denn Ihre Freundin?«
»Audrey.«
»Ach, ein schöner Name.«
Ich will schon gehen, als mir auffällt, dass ich seinen Namen nicht weiß.
Er entschuldigt sich. »Oh, tut mir sehr Leid. Ich bin Bernie. Bernie Price.«
»Schön, Sie kennen zu lernen, Bernie.«
»Ebenso«, sagt er. »Ich bin froh, dass Sie gekommen sind.«
»Ich auch.«
Ich trete hinaus in die heiße Luft des späten Nachmittags, in den Sommer hinein.
Weihnachten fällt dieses Jahr auf einen Donnerstag und an diesem Abend werden alle zum Kartenspielen zu mir kommen. Es gibt Truthahn und für den Türsteher einen dicken Kuss von Marv.
Ich rufe Audrey wegen morgen Abend an und sie sagt die Verabredung mit ihrem Freund ab. Ich glaube, sie hat an meiner Stimme gemerkt, wie wichtig mir die Sache ist und dass ich sie dabei brauche.
Sobald das geregelt ist, gehe ich Milla in der Harrison Avenue besuchen.
Sie öffnet die Tür, und es scheint mir, als sei sie in den letzten Wochen zerbrechlicher geworden. Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Mal bei ihr war, und sie strahlt, als sie mich sieht. Zunächst steht sie mir gebeugt gegenüber, aber als ihr Blick auf mein Gesicht fällt, richtet sie sich auf.
»Jimmy!« Ihre Stimme steigt gen Himmel. »Komm herein, komm herein!«
Ich gehe ins Wohnzimmer und sehe, dass sie sich bemüht hat, »Die Sturmhöhe« selbst zu lesen. Aber sie ist nicht besonders weit gekommen.
»Oh ja«, sagt sie, als sie mit dem Tee hereinkommt. »Ich habe mein Glück versucht, ohne dich, aber es funktioniert nicht besonders gut.«
»Möchtest du, dass ich dir etwas vorlese?«
»Das wäre schön«, lächelt sie.
Ich liebe das Lächeln dieser alten Dame. Ich liebe die Flecken aus menschlichen Falten auf ihrem Gesicht und die Freude in ihren Augen.
»Möchtest du an Weihnachten zu mir
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