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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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scheint sich damit zufrieden zu geben, und zum Abschied koche ich ihm noch einen Kaffee, den ich mit etwas Eiskrem garniere. Er hüpft fast von einem Bein aufs andere, als ich ihm das Zeug vorsetze.
    Lecker , sagt er zu mir in der Küche. Wir sind immer noch Freunde.
    Ich muss zugeben, dass ich ihn sogar ein wenig vermisse, als ich zu »Melusso’s« in die Babel Street gehe. Es kommt mir so vor, als hätten wir beide die Sache gemeinsam begonnen, und jetzt beende ich sie allein und darf den ganzen Ruhm einheimsen.
    Das heißt.
    Wenn es Ruhm einzuheimsen gibt.
    Ich hätte beinahe vergessen, dass auch etwas schief gehen und dass es schwierig werden kann. Beweisstück Nummer eins: Edgar Street. Beweisstück Nummer zwei: Die Rose-Brüder.
    Jetzt frage ich mich, was ich diesmal überbringen muss. Ich betrete das Restaurant, den allumfassenden Duft und die Wärme von Spagettisoße, Pasta und Knoblauch. Ich halte die Augen offen, ob mir irgendjemand folgt, aber ich
habe keinen Menschen bemerkt, der auch nur das mindeste Interesse an mir gezeigt hätte. Nur Leute, die tun, was sie zu tun gewohnt sind.
    Sich unterhalten. Falsch parken.
    Fluchen. Ihren Kindern sagen, dass sie sich beeilen und aufhören sollen zu heulen.
    Solche Sachen.
    Im Restaurant bitte ich die Kellnerin, mir einen Tisch in der dunkelsten Ecke zu geben.
    »Da drüben?«, fragt sie entgeistert. »Neben der Küche?«
    »Ja, bitte.«
    »Da wollte noch niemand freiwillig sitzen«, erklärt sie. »Sind Sie ganz sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Was für ein sonderbarer Kerl , denkt sie zweifellos, aber sie führt mich zu dem Tisch.
    »Weinkarte?«
    »Wie bitte?«
    »Möchten Sie einen Wein trinken?«
    »Nein, danke.«
    Sie fegt die Weinkarte vom Tisch und nennt mir die Empfehlungen des Hauses. Ich bestelle Spagetti Bolognese und Lasagne.
    »Erwarten Sie noch jemanden?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein.«
    »Sie wollen beide Gerichte essen?«
    »Oh, nein«, antworte ich. »Die Lasagne ist für meinen Hund. Ich habe versprochen, dass ich ihm etwas mitbringe.«
    Diesmal bedenkt sie mich mit einem Blick, der sagt: »Was für ein erbärmlicher, einsamer Kerl«, was völlig verständlich
ist, nehme ich an. Aber sie sagt: »Ich bringe Ihnen die Lasagne, bevor Sie gehen, einverstanden?«
    »Ja, danke.«
    »Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein, danke.«
    Ich trinke nie etwas in einem Restaurant, denn ein Getränk kriege ich überall. Aber kochen kann ich nicht und nur deshalb gehe ich überhaupt in Restaurants.
    Sie geht weg und ich schaue mich um. Die Hälfte der Tische ist besetzt. Menschen schlagen sich die Bäuche voll, andere trinken Wein, während sich ein junges Pärchen über den Tisch hinweg küsst und sich gegenseitig mit Nudeln füttert. Die einzig interessante Person ist ein Mann, der an derselben Wand sitzt wie ich. Er wartet auf jemanden, trinkt Wein, isst aber nichts. Er trägt einen Anzug und hat sein welliges silberschwarzes Haar glatt zurückgekämmt.
    Kurz darauf kommt die Spagetti Bolognese und gleichzeitig die volle Bedeutung dessen, warum ich hier bin.
    Ich hätte mich beinahe verschluckt, als die Begleitung des Mannes an den Tisch tritt. Er steht auf, küsst sie und legt ihr die Hände auf die Hüften.
    Die Frau ist Beverly Anne Kennedy.
    Bev Kennedy.
    Auch bekannt als meine Mutter.
     
     
    Oh, Scheiße , denke ich und ziehe den Kopf ein.
    Aus irgendeinem Grund fühle ich mich, als müsste ich mich gleich übergeben.

    Meine Mutter trägt ein schmeichelndes Kleid. Es ist dunkelblau und glänzend. Die Farbe erinnert mich an eine stürmische Nacht. Graziös setzt sie sich hin. Ihr Haar rahmt ihr Gesicht weich ein.
    Kurz gesagt: Dies ist das erste Mal, dass sie in meinen Augen tatsächlich wie eine Frau aussieht. Normalerweise ist sie lediglich meine kratzbürstige Mutter, die mich beschimpft und mich einen nutzlosen Versager nennt. Heute Abend aber trägt sie Ohrringe und ihr dunkles Gesicht und die braunen Augen lächeln. Sie zeigt ein paar Falten, wenn sie lächelt, aber ja, sie sieht glücklich aus.
    Sie wirkt glücklich als Frau.
     
     
    Der Mann ist ein echter Gentleman, schenkt ihr Wein ein und fragt sie, was sie essen möchte. Sie unterhalten sich mit offenkundigem Vergnügen und einer gewissen Gelassenheit. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Ehrlich gesagt versuche ich es auch gar nicht.
    Ich denke an meinen Vater.
    Ich denke an ihn und bin sofort niedergeschlagen.
    Frag mich nicht, warum, aber ich habe den Eindruck, dass er etwas

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