Der Joker
Moment lang stehen und trottet
dann davon, gleitet in die Dunkelheit hinein und löst sich in ihr auf.
Audrey steht jetzt hinter mir. Ich habe etwas, worüber ich nachdenken muss.
Ich schreibe auf, was er mir gesagt hat.
Acht Uhr, morgen Abend, »Melusso’s«.
Nachdem ich den Zettel an die Kühlschranktür geklebt habe, gehe ich ins Bett. Audrey kommt mit. Sie schläft mit ihrem Bein über meinen Körper gelegt ein. Ich genieße ihren Atem an meinem Hals.
Nach etwa zehn Minuten sagt sie plötzlich: »Erzähl mir davon, Ed. Erzähl mir, wo du überall gewesen bist.«
Ich habe ihr schon einmal von den Botschaften auf dem Karo-Ass erzählt, bin aber nicht ins Detail gegangen. Ich bin so schrecklich müde, aber ich fange trotzdem an zu reden.
Über Milla. Die wunderbare Milla. Während ich spreche, sehe ich ihr flehendes Antlitz vor mir, spüre noch einmal ihre Liebe zu Jimmy.
Über Sophie. Das barfüßige Mädchen mit...
Audrey schläft.
Sie schläft, aber ich spreche weiter. Ich erzähle ihr von der Edgar Street und all den anderen. Von den Steinen. Den Prügeln. Vater O’Reilly. Angie Carusso. Den Rose-Brüdern. Den Tatupus.
Für den Augenblick bin ich glücklich und ich will wach bleiben, aber schon bald fällt die Nacht auf mich und drückt mich in den Schlaf hinein.
9
Die Frau
Das Gähnen eines Mädchens kann so herrlich sein, dass man sich am liebsten vor lauter Glück krümmen möchte.
Besonders wenn es in Slip und T-Shirt in deiner Küche steht. Gähnend.
Audrey tut das genau in diesem Moment, als ich das Geschirr abwasche. Ich spüle einen Teller ab und da ist sie, reibt sich die Augen, gähnt und lächelt dann.
»Gut geschlafen?«, frage ich.
Sie nickt und sagt: »Du bist sehr bequem, Ed.«
Ich könnte ihr diese Bemerkung übel nehmen, aber es ist ein Kompliment.
»Setz dich«, sage ich, und ohne nachzudenken, betrachte ich ihren Oberkörper und ihre Hüften. Ich folge mit meinem Blick ihren Beinen hinunter zu den Knien, den Schienbeinen und den Fußgelenken. Alles im Bruchteil einer Sekunde. Audreys Füße sehen weich und zart aus. Als ob sie auf dem Küchenboden schmelzen könnten.
Ich schütte ein paar Cornflakes in eine Schale und sie kaut geräuschvoll. Ich musste nicht erst fragen, ob sie welche haben will. Manches weiß man einfach.
Eine Bestätigung bekomme ich später, nachdem Audrey geduscht und sich vollständig angezogen hat.
An der Haustür sagt sie zu mir: »Danke, Ed.« Sie wartet einen Moment, bevor sie weiterspricht. »Weißt du, von allen Menschen kennst du mich am besten und du behandelst mich auch am besten. Bei dir fühle ich mich am wohlsten.« Sie beugt sich zu mir und küsst mich auf die Wange. »Danke, dass du es mit mir aushältst.«
Als sie weggeht, fühle ich noch ihre Lippen auf meiner Haut. Ihren Geschmack.
Ich schaue ihr nach, bis sie um die Ecke biegt. Kurz bevor sie meinem Blick entschwindet, merkt sie, dass ich dastehe, dreht sich um und winkt. Als Antwort hebe ich meine Hand und dann ist sie weg.
Langsam.
Manchmal schmerzhaft.
Bringt Audrey mich um.
»Und tu mir einen Gefallen, ja? Friss nicht so viele Pommes frites, kapiert?«
Wieder und wieder höre ich die Worte des Typen von letzter Nacht.
Den ganzen Tag verfolgen sie mich, so wie die anderen Sätze, die er gesagt hat.
»Du bist möglicherweise nicht der Einzige, der Asse im Briefkasten liegen hat. Hast du darüber schon mal nachgedacht?«
Obwohl am Ende des Satzes ein Fragezeichen steht, ist mir klar, dass es eine Aussage war. Ich denke über all die Menschen nach, denen ich in letzter Zeit begegnet bin. Was, wenn das alles Überbringer von Botschaften waren, genauso wie ich? Wenn sie alle bedroht werden und verzweifelt nur einfach durchkommen wollen, um zu überleben? Ich frage mich, ob auch sie Spielkarten und Schusswaffen geliefert bekommen haben oder ob sie vielleicht mit anderem Rüstzeug ausgestattet wurden. Das alles läuft auf einer persönlichen Ebene ab , denke ich. Ich bekomme Karten, weil ich Karten spiele. Daryl und Keith haben vielleicht die Skimasken bekommen und mein Besucher von
letzter Nacht den schwarzen Anzug - und sein knurriges Benehmen.
Um Viertel vor acht stehe ich wieder vor dem »Melus so’s«, diesmal ohne den Türsteher. Diesmal gehe ich hinein. Ich muss es ihm erklären, bevor ich das Haus verlasse.
Er schaut mich an.
Was? , fragt er. Keine Pommes frites heute Abend?
»Tut mir Leid, Kumpel. Ich bring dir was mit, versprochen.«
Er
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