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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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Freund und Gönner der Familie Polo, bei seinem früheren Namen nannte.
    »Wir wissen nicht, ob er überhaupt noch lebt«, erwiderte Marcos Vater. »Wir waren lange fort.«
    »Und wenn er doch noch lebt, Niccolò?«, setzte sein Onkel nach.
    »Dann sagen wir ihm, wir wüssten alles über die Mongolen und deren Gebräuche und militärische Stärke. Wir hätten alles in Erfahrung gebracht, was er hat wissen wollen. Aber was die Pest betrifft - da gibt es nichts zu erzählen. Das ist aus und vorbei.«

    In Masseos Seufzer schwang keine Erleichterung mit. Marco ahnte, was ihm durch den Kopf ging.
    Die Pest hatte noch nicht alle geholt, die zum Tode verurteilt waren.
    »Es ist vorbei«, wiederholte sein Vater beschwörend.
    Marco musterte die beiden Älteren, seinen Vater und seinen Onkel, die sich vor dem Hintergrund von feuriger Asche und Rauch vor dem Nachthimmel abzeichneten. Solange die Erinnerung sie quälte, war gar nichts vorbei.
    Marco sah zu Boden. Die Zeichnung, die sein Vater verwischt hatte, stand ihm noch deutlich vor Augen. Er hatte aus der Stadt eine Karte aus geklopfter Rinde mitgenommen. Die Karte war mit Blut gemalt gewesen. Inmitten des Dschungels hatten Tempel und Türme aufgeragt.
    Alle menschenleer.
    Bis auf die Toten. Der Boden war übersät gewesen mit Vögeln, die vom Himmel auf die gepflasterten Plätze gefallen waren. Niemand war verschont geblieben. Männer, Frauen und Kinder, alle tot. Auch die Ochsen und das Vieh auf den Weiden. Riesenschlangen hingen schlaff von den Ästen, das Fleisch unter den Schuppen voller Geschwüre.
    Die einzigen Überlebenden waren die Ameisen.
    Ameisen aller Größen und Farben.
    Sie wimmelten über das Pflaster und die Leichen, fraßen die Toten langsam auf.
    Doch der erste Eindruck hatte getrogen... Da war noch etwas anderes gewesen und hatte nur darauf gewartet, dass die Sonne unterging.
    Marco verdrängte die Erinnerungen.
    Als sein Vater die Karte sah, die er in einem der Tempel gefunden hatte, verbrannte er sie und streute die Asche ins Meer. Erst später war der erste Seemann erkrankt.
    »Wir wollen nicht mehr daran denken«, hatte sein Vater daraufhin erklärt. »Das geht uns nichts an. Geben wir den Vorfall dem Vergessen anheim.«
    Marco würde seinen Schwur einhalten. Diese Geschichte würde er niemandem erzählen. Gleichwohl berührte er mit dem
Fuß eines der verwischten Zeichen im Sand. Hatte er, der er es gewohnt war, seine Erlebnisse so akribisch aufzuzeichnen, das Recht, dieses Wissen für sich zu behalten?
    Wenn es eine andere Möglichkeit gab, es zu bewahren...
    Als hätte er Marcos Gedanken erraten, fasste sein Onkel Masseo ihrer aller Ängste in Worte. »Und wenn das Grauen irgendwann erneut sein Haupt hebt, Niccolò, wenn es eines Tages unsere Küste erreichen sollte?«
    »Dann wird dies das Ende des Menschen Tyrannei über die Welt bedeuten«, antwortete Marcos Vater bitter. Er berührte das Kruzifix auf Masseos nackter Brust. »Der Mönch war klüger als wir alle. Sein Selbstopfer...«
    Das Kreuz hatte Pater Agreer gehört. In der verfluchten Stadt hatte der Dominikanermönch sich geopfert, um ihr aller Leben zu retten. Ein dunkler Pakt war geschlossen worden. Sie hatten ihn auf seinen eigenen Wunsch hin zurückgelassen.
    Den Neffen Papst Gregors X.
    Als die letzten Flammen im schwarzen Wasser versanken, flüsterte Marco: »Welcher Gott wird uns beim nächsten Mal retten?«

22. Mai, 18:32
Indischer Ozean
    10° 44' 07.87" S ∣ 105° 11' 56.52" 0
     
    »Wem soll ich eine Flasche Foster’s mitbringen, wenn ich schon mal hier unten bin?«, rief Gregg Tunis aus dem Salon herauf.
    Dr. Susan Tunis, die gerade von der Schwimmleiter aufs Achterdeck kletterte, lächelte, als sie die Stimme ihres Mannes vernahm. Sie schälte sich aus der Tarierweste und wuchtete die Luftflaschen in das Regal hinter dem Steuerhaus der Forschungsyacht. Die Flaschen stießen klirrend gegeneinander.
    Von dem Gewicht befreit, nahm sie das Handtuch von der Schulter und frottierte sich das von Sonne und Salz gebleichte blonde Haar. Als sie damit fertig war, öffnete sie mit einer einzigen Bewegung den Reißverschluss des Taucheranzugs.
    »Bumm-badabumm... badabumm...«, tönte es hinter ihr aus einem Liegestuhl.

    Sie sah sich nicht einmal um. Offenbar hatte da jemand zu viel Zeit in den Stripteasebars von Sydney verbracht. »Professor Applegate, müssen Sie das immer tun, wenn ich den Taucheranzug ausziehe?«
    Der grauhaarige Geologe balancierte eine Lesebrille auf der

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