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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Uhr nachts traf sich das Ermittlerteam im Braunen Fünfender. Ihre Suche nach Basedov war erfolglos geblieben. Durchnässt, verschwitzt und frustriert standen sie im Schankraum und beratschlagten, was zu tun sei. Die Suche über Mitternacht auszudehnen hatte keinen Sinn. Sie beschlossen bei Anbruch des Morgens weiterzumachen. Nacheinander verschwanden sie in ihre Zimmer.
    Nachdem sich Körner im Bad auf dem Flur geduscht hatte, zog er sich in seine Kammer zurück. Mit einem Handtuch um die Hüften stand er am Fenster und starrte auf den Dorfplatz. Der elektrische Heizstrahler, den er aus dem Abstellraum in sein Zimmer geschoben hatte, surrte neben ihm und blies ihm wohlig warme Luft auf die Beine. Wo steckte .Basedov? In diesem Kaff konnte er doch nicht weit sein! Die Straßenbeleuchtung funktionierte immer noch nicht, es regnete nach wie vor und der Nebel wirbelte über die Pflastersteine. Von hier oben sah es aus, als sei der Ort in ein Wattekissen gebettet. Einzig die Marmorengel des Brunnens ragten wie die Galionsfiguren gestrandeter Schiffe aus dem bleigrauen Meer.
    Wie ging es seiner Tochter? Den gesamten Tag über hatte er nicht angerufen, erst in diesem Moment dachte er an Verena und seine Ex. Doch jetzt war es zu spät um anzurufen. Während des turbulenten Tages war er nicht einmal dazu gekommen, für eine halbe Stunde zu ihnen nach Heidenhof auf einen Kaffee hinauszufahren. Hatten sie Strom? Funktionierte ihre Heizung und hatten sie genug sauberes Wasser zum Trinken?
    Da öffnete sich die Tür und Jana Sabriski schlüpfte in sein Zimmer. Sie war barfuß, trug ein langes Badetuch um den Körper geschlungen und hatte ihr Haar zu einem Knoten hochgesteckt. Nasse Strähnen hingen ihr in die Stirn.
    »Hallo, Colonel.«
    So hatte sie ihn schon lange nicht mehr genannt. Die Bezeichnung war ein alter Wortwitz, der aus ihrer gemeinsamen Zeit stammte, in der sie ihn statt Körner Colonel genannt, es aber wie das englische Körnel ausgesprochen hatte.
    »Dein Brusthaar ist grau geworden«, bemerkte sie.
    »Ich habe mir sagen lassen, das wirkt interessant«, antwortete er trocken.
    »Wenn du meinst.«
    Er hatte keine Vorstellung, was in ihrem Kopf gerade vorging. Jedoch fiel ihm auf, dass sie beim Anblick seiner Brandnarbe, die vom Handrücken bis zur Schulter reichte, noch immer nicht zurückschreckte, wie viele andere Frauen, die ihn so sahen. Jana kannte ihn gut genug, und fünf Jahre lang war das Narbengeflecht zu ihrem täglichen Anblick geworden. Außerdem hatte sie als Gerichtsmedizinerin bedeutend Schlimmeres gesehen.
    »So haust du also.« Sie sah sich um. »Auch kein Bad.« Sie zuckte die Achseln. »Mein Zimmer ist so groß wie eine Konservendose, die Matratze hängt bis zum Boden durch, der Kleiderkasten ist baufällig und die zehn Watt starke Glühlampe leuchtet schwächer als ein einzelner Stern am Himmel.«
    »Höre ich da einen gewissen Unmut heraus?«
    »Warum hast du eigentlich Berger das Doppelzimmer gegeben und nicht mir?« Sie warf ihren Lederrucksack auf den Stuhl.
    »Eine spontane Entscheidung, ich habe nicht drüber nachgedacht.«
    »Stehst du auf sie?«
    Da flog die Tür auf. Philipp marschierte ins Zimmer. »Kannst du …?« Verblüfft sah er sich um. »Oh, ich wusste nicht, dass du Damenbesuch hast, ó lala!«
    »Schon mal was von Anklopfen gehört, Phil?«, fauchte Sabriski.
    »Nein. Kannst du mir dein Haarshampoo borgen?«, fragte er Körner. »Ich mache mich hübsch für die Nacht.« Er zwinkerte ihm zu.
    Körner verschränkte die Arme vor der Brust. »Langsam wird es in dem Zimmer eng.«
    »Ich habe alles in meinem Rucksack.« Sabriski deutete in Richtung Stuhl.
    »Oh, du hast dich gleich mit Sack und Pack hier einquartiert.« Philipp öffnete die Bänder und begann zu kramen. »Borgst du mir das Deo, den Ladyshaver und die Bürste?«
    Großzügig zeigte sie auf die Tasche. »Bediene dich.«
    »Und das Kondom?«
    Sabriski funkelte ihn an. »Wenn ich dir damit aushelfe, bitte sehr!«
    »Ich wünsche euch beiden eine unvergessliche Nacht!« Mit vollen Händen marschierte Philipp aus dem Zimmer und stieß die Tür mit dem Fuß zu.
    »Warum hast du deine Tasche mitgebracht?«, fragte Körner.
    »Vielleicht bleibe ich ja ein bisschen länger hier.« Sie ging an ihm vorbei und zog den Vorhang zu. »Ich möchte heute Nacht nicht allein sein«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    Verblüfft sah er sie an.
    Sabriski umfasste seine Schultern und massierte seine Nackenmuskeln. »Du bist verspannt«,

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