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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Nebel. Was zum Teufel tat sie? Kniete sie im Rinnsal? War sie gestürzt? »Alex! Schnell!«, rief sie.
    Körners Herz machte einen Satz. Er lief zu ihr hin. Sie sah ihn nicht an, sondern hantierte auf dem Boden herum. Keuchend kam er neben ihr zum Stehen. »Was ist?«
    Sie kniete in einer Häusernische neben einem leblosen Bündel, das im Rinnsal lag. Basedov war es nicht. Der Körper war zu klein, so viel konnte er erkennen. Er sah eine Schnauze und einen Schweif. Ein Hund! Es war bloß ein Köter.
    »Komm weiter!«, drängte Körner. Heute Morgen hatte er in dem Container neben Doktor Webers Praxis so viele Tierkadaver gesehen, dass ihn ein toter Hund nicht interessierte.
    »Ein Setter«, murmelte Sabriski. »Das ist der Hund, der uns gestern zweimal in der Gaslight Bar durch den Tatort gerannt ist.«
    »Sabine Krajniks Hund!« Plötzlich war Körner das Vieh nicht mehr gleichgültig. Gestern war der Setter noch quicklebendig gewesen, am Tatort herumgesprungen und ihm über die Straße gefolgt, als er mit Berger zum Haus der Krajniks gegangen war.
    »Bist du sicher?«, fragte sie.
    »Ich habe das Tier auf einem Foto gesehen. Es saß neben Sabine Krajnik auf der Wiese.«
    Sie drehte den Kadaver herum. Die Flanke des Hundes war zerfetzt. Eine tiefe Wunde hatte den Brustkorb des Tieres aufgerissen. Rippen und Fellreste hingen weg. »Wer verstümmelt bloß ein Tier?«
    Körner sah sie ernst an. »Derselbe, der Sabine Krajnik ermordet hat.« Plötzlich musste er an Basedov denken. »Wo würdest du im Ort eine Leiche verstecken?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Los, sag schon!«, drängte er sie. »Wo würdest du eine Leiche verschwinden lassen?«
    »Ich würde sie in den Fluss werfen.«
    »Komm mit!«, rief er und rannte los.
     
    Sie standen am Flussufer und starrten in die schwarze Flut, die an ihnen vorbeirauschte. Die Autoscheinwerfer von Körners Audi erhellten die Umgebung. Das Geländer der Greiner Brücke hing windschief da und ragte nur noch zur Hälfte aus dem Strom. Die Sandsäcke verbarrikadierten die Zufahrt.
    Sie waren nicht die Einzigen am Fluss. Über eine Länge von mehreren Kilometern war die Trier zu einer nächtlichen Baustelle geworden. Mit sechs 1500 Watt-Scheinwerfern, die an einem Stromaggregat hingen, wurden Teile der Deichbaustelle ausgeleuchtet. Dutzende Feuerwehrleute in blauen Uniformen und dicken Parkas marschierten durch das aufgeweichte, knöcheltiefe Erdreich. Wohin Körner blickte, sah er Männer mit gelb reflektierenden Helmen und Handlampen. Hunderte freiwillige Helfer reichten sich Sandsäcke. Pausenlos kurvten Lastkraftwagen entlang des Deichwalls. Die Schweinwerfer blendeten Körner, er schirmte die Augen mit der Hand ab.
    »Keine Sickerstelle«, brüllte der Mann, der ihnen am nächsten stand.
    »Punkt Hundert noch nicht durchfeuchtet«, rief ein anderer.
    Ein Pritschenwagen rollte hupend heran. Installateur Frantis stand auf der Seitenwand. Auf der Ablagefläche stapelten sich weitere Sandsäcke.
    »Es war wohl keine so gute Idee, hierher zu kommen«, gab Sabriski zu. Sie stieg ins Auto und kauerte sich auf den Beifahrersitz.
    Körner blieb im Regen stehen und spähte über das Wasser. Das andere Ufer war unmöglich zu erkennen. Wie breit war der Fluss angeschwollen? War er bereits mit Tausenden Tonnen von giftigem Chlor und Cadmium aus dem Chemiewerk verseucht?
    Er blickte auf die Uhr. Es war kurz nach zehn. Ohne lange zu überlegen griff er zum Handy und klingelte Jutta Koren, seine Dezernatschefin aus dem Bett. Das Batteriesymbol auf der Anzeige blinkte nervös.
    Heb ab!, drängte er stumm.
    Sie meldete sich. Körner fiel ihr sofort ins Wort. »Wir müssen erneut einen Antrag auf Exhumierung der Krajnikgeschwister stellen. Das könnte der Angelpunkt des gesamten Falls sein. Und ich möchte keine Ausreden hören, wir hätten zu wenig Beweismaterial. Mittlerweile ist einer meiner Ermittler verschwunden. Ich brauche dringend Entscheidungen, bevor noch mehr passiert!«
    »Wer ist verschwunden?«, unterbrach sie ihn knapp. »Basedov, ich meine Kralicz.« Körner erzählte kurz, was geschehen war.
    Er hörte förmlich, wie sie am anderen Ende der Leitung überlegte. »Jetzt ist es zu spät, um Hauser zu erreichen. Ich rufe ihn morgen in aller Frühe an. Sie bekommen Ihre Bewilligung, ich melde mich morgen schnellstmöglich bei Ihnen.«
    »Danke.« Rasch schaltete er das Handy ab. Der Akku würde nur noch für ein einziges kurzes Telefonat reichen.
     
    16. Kapitel
     
    Kurz vor elf

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