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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Handy in die Tasche und lief los. Da prallte er gegen eine mächtige Gestalt.
    »Das hat mir gerade noch gefehlt«, knurrte der Bürgermeister.
    »Tut mir Leid«, stammelte Körner. Woher war der Mann so plötzlich aufgetaucht?
    Heinrich Weißmann ging keuchend in die Knie und sammelte die Unterlagen auf, welche ihm Körner aus der Hand geschlagen hatte. Ein Dutzend Flügelmappen lagen im Wasser, der Wind schlug die Deckel auf und wehte einzelne Blätter davon.
    »Nicht nur, dass Sie keine Manieren haben, Sie sind auch noch ein gewaltiger Tollpatsch!«, fluchte Weißmann.
    Eilig half ihm Körner die Dokumente aufzusammeln. »Es ist finster.« Eine geistvollere Entschuldigung fiel ihm nicht ein. Er drückte dem Bürgermeister die nassen Papiere in die Hand.
    Weißmann bohrte ihm den Finger in die Brust. »Ich möchte Sie und Ihre Leute so schnell wie möglich aus diesem Ort draußen haben. Mit dem Deich habe ich schon genug Probleme am Hals.«
    Dachte der Mann nur daran? »Sie haben zwei Leichen in Ihrem Ort«, erinnerte Körner ihn.
    »Wir haben bald noch mehr, wenn das Hochwasser kommt.« Zornig fuchtelte Weißmann mit den Mappen durch die Luft. »Ich habe eben mit dem Vorstand des Trieracher Kraftwerks telefoniert. Das Auffangbecken des Stausees ist zu klein für die Wassermassen. Die Schleusen müssen stündlich Wasser ablassen, eine behördlich vorgeschriebene Regelung. Denen ist egal, ob wir ersaufen oder nicht. Die halten strikt die Betriebsordnung ein.«
    »Ich dachte, der verstärkte Deich hält.«
    »Sie haben ja keine Ahnung!« Weißmann raffte die Unterlagen zusammen. »Nicht nur die Wassermassen bereiten mir Sorgen. Wir bekommen ein zusätzliches Problem im Ort: eine mögliche Chemie-Verseuchung! Die Einsatzleute im überfluteten Chemiewerk in Spoisdorf kommen nicht an die Tanks ran. Chlor könnte entweichen. Wenn die Giftstoffe erst mal in den Fluss gelangt sind, und die Schleusen werden geöffnet, wird es düster. Ich gebe Ihnen einen Rat: Hauen Sie ab von hier!«
    War der Mann noch bei Trost? Hauen Sie ab! Wenn er doch nur könnte! Ginge es nach Körner, wäre er schon längst von hier verschwunden und säße in seinem Wiener Büro im Trockenen.
    Doch so stand er mitten im Regen und hetzte möglichen Spuren hinterher. Basedov! »Ich muss weiter!«, rief er gegen den Wind.
    »Ja, ich hoffe, ich sehe Sie so bald nicht wieder«, murrte der Bürgermeister.
    Schon ließ er Weißmann hinter sich und lief quer über den Dorfplatz. Die Tür zur Gaslight Bar stand offen, die Plombe war abgerissen und die gelben Bänder flatterten im Wind. Drinnen brannten einige Lampen. Körner trat ein und durchmaß das Lokal mit schnellen Schritten, während er sich nach allen Richtungen umsah. Keine Spur von Basedov! Als er sich an den Tresen lehnte, kam die Wirtin des Braunen Fünfenders mit einem Mopp hinter dem Eisengestell hervor. Sie tauchte den Putzlappen in den Eimer und wischte damit über den feucht glänzenden Boden.
    »War mein Kollege hier? Der mit dem merkwürdigen Blick!«
    Stoißer sah auf und hielt in der Bewegung inne. »Nein.« Sie band sich die Haare zu einem Rossschweif. »Ich bin eben erst reingekommen, doch hier war niemand. Ich habe mich gewundert, weshalb die Tür offen stand und das Licht brannte … aber Sie sagten doch, ich darf den Boden scheuern.«
    »Ja, darum geht es nicht.« Er starrte auf die Bretter. Eine dunkle Wasserlache schimmerte auf den Holzdielen.
    Körner brüllte Basedovs Namen. Die Wirtin sah ihn mit zugekniffenen Augen an und schüttelte den Kopf. Er hörte nicht mehr was sie murmelte, da er bereits in den Gang marschiert war und einen Blick auf die Damen- und Herrentoilette warf. Durch den Bewegungsmelder flackerte die Neonröhre auf. Er sah jedoch nichts weiter als leere, geflieste Räume mit Waschbecken, Klomuscheln und einem Pissoir. Am Gangende drückte er die Klinke runter und stieß die Tür nach außen auf. Der Hinterhof war leer. Die Büsche bogen sich im Wind und der Regen prasselte nieder. Die Wiese stand großteils unter Wasser. Hinter den Hecken ging der Mond auf. Noch ein Tag, dann war Vollmond. Die weiße, beinah kreisrunde Scheibe spiegelte sich in den Lachen. Auch hier war keine Spur von Basedov.
    Erstaunt betrachtete Körner den Türrahmen. Die Gendarmen vom Posten Neunkirchen hatten vergessen, den Hintereingang zu versperren und anschließend zu plombieren. Man konnte sich auf nichts verlassen! Er schlug die Tür zu und ging zurück.
    Da stürzte Philipp in die

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