Der Judas-Schrein
Klingelton hob jemand ab, Hauser.
Körner atmete tief durch. Diesmal durfte er das Gespräch nicht vermasseln. »Körner vom Gendarmeriekommando Wien.« Er machte eine kurze Pause. Hauser schwieg - ein gutes Zeichen. »Wir haben zwei ermordete Kinder in Grein am Gebirge: Carina und Mathias Krajnik.«
»Doch nicht etwa die beiden exhumierten Kinder?«
»Leider.« Körner ließ sich Zeit, ehe er fortfuhr. »Die Geschwister wurden mit einer hohen Dosis Valium ruhig gestellt, danach auf exakt die gleiche Art und Weise wie Sabine Krajnik ermordet: Mehrere Stichwunden am Rückgrat, irreparable Schäden an Wirbelsäule, Rückenmark und vegetativem Nervensystem, hoher Blutverlust und schließlich Atemstillstand und Erstickungstod.«
Körner wusste, er begab sich auf dünnes Eis, aber er hatte keine andere Chance, als zu pokern. Außerdem war er davon überzeugt, Sabriski würde ihm die nötigen Beweise liefern.
Noch bevor Hauser seine Darstellung anzweifeln konnte, sprach Körner weiter. »Zurzeit liegt mir der Obduktionsbefund der Gerichtsmedizinerin Doktor Jana Sabriski vor. Sie ist…«
»Ich kenne Sabriski«, unterbrach ihn Hauser. »Sie leistet ausgezeichnete Arbeit. Was brauchen Sie von mir?«
Körner ließ die angespannten Schultern sinken. »Ein Haftbefehl gegen den Dorfarzt Doktor Weber, der die Totenscheine der Krajnikgeschwister ausgestellt hat, wäre noch verfrüht. Vorerst möchte ich etwas prüfen und schlage vor, dass …«
»Was wurde in den Totenscheinen als Todesursache genannt?«
» Herzversagen.«
»Sind das dieselben Totenscheine, auf denen die Geburtsdaten der Kinder entfernt wurden, wie Sie behauptet haben?«
»Ja.«
»Haben Sie eine Erklärung, weshalb die Daten vertuscht wurden?«
»Alle drei Kinder der Krajniks starben exakt am Datum ihres vierzehnten Geburtstags … am siebzehnten August, achten September und elften Oktober. Es könnte sich allerdings um einen Zufall handeln«, gab Körner zu bedenken.
»Blödsinn!«, schnaubte der Staatsanwalt. »Daran glauben Sie doch selbst nicht! Worauf wollen Sie warten, Körner? Ich könnte Ihnen einen Haftbefehl für diesen Doktor Weber ausstellen lassen. Nehmen Sie ihn in die Zange.«
»Zurzeit sind wir vom Hochwasser eingeschlossen.«
»Ich erteile Ihnen den Haftbefehl mündlich und lasse Weber das Dokument binnen achtundvierzig Stunden schriftlich zustellen … in diesem Ort wird es wohl ein Faxgerät geben, oder?«
»Selbstverständlich.« Körner grinste. Er hatte Weber an den Eiern!
»Und noch etwas, Körner.« Der Staatsanwalt machte eine Pause. »Sie sind bestimmt schon auf den Gedanken gekommen, dass der Dorfarzt ein derartiges Verbrechen nicht ohne Hilfe vertuschen konnte. An dem Fall müssen zumindest der Leichenbestatter und womöglich die Eltern der Kinder beteiligt gewesen sein, schließlich mussten sie damals die Leichen identifizieren.«
»Vielen Dank für den Hinweis.« Als ob er das nicht wüsste!
»Sie hatten zuvor erwähnt, dass sie noch eine weitere Sache prüfen wollten«, erinnerte ihn der Staatsanwalt.
Körner kamen Philipps Kommentare während der Spurensuche in der Gaslight Bar in den Sinn. »Das Gendarmeriekommando Wien hat 1996 und 1998 in Krems und Gmunden in Mordfällen an Jugendlichen ermittelt. Mathias Krajnik starb 1999, Carina 2001 und Sabine vor zwei Tagen. Der modus operandi in all diesen Fällen ist ein ähnlicher, es könnte ein Zusammenhang bestehen.«
»Ich sehe zwar nicht, was das mit unserem Fall zu tun hat, aber gehen Sie der Sache nach.«
»Die Fälle tragen einen Sperrvermerk«, wandte Körner ein. »Um Einsicht in die Unterlagen zu nehmen, müssten Sie die Verschlussakten öffnen lassen.«
Das lange Schweigen am anderen Ende der Leitung dämpfte seine Erwartungen.
»Sie verlangen viel von mir«, knurrte Hauser. »Sperrvermerke haben einen Sinn, aber das brauche ich Ihnen nicht zu erklären, Körner. Treiben Sie den Fall voran, bringen Sie mir weitere Beweise, dann sprechen wir noch einmal über Krems und Gmunden. Auf Wiederhören.«
Als Körner das Handy herunternahm, piepte es dreimal. Das Display leuchtete auf: Eine Nachricht auf der Mailbox! Er klickte die Meldung an, Korens Nummer erschien auf der Anzeige. Bestimmt hatte Sie ihm eine Nachricht auf Band gesprochen. Er konnte sich denken, worum es ging, wollte es aber gar nicht hören. Da piepte es noch einmal und das Display erlosch. Der Akku war leer. Die Anzeige der Nachricht hatte der Batterie den letzten Saft gekostet. Körner
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