Der Judas-Schrein
Eindruck. Körner bemerkte ihr trockenes Haar und die trockene Kleidung.
»Wie sieht es denn hier aus? Und der Gestank!« Philipp hielt sich die Nase zu, während er auf die Leichen starrte.
Berger wandte den Blick von den Toten. Körner ging zu Mathias Krajniks Überresten, schlug die Plane darüber und warf seine Latexhandschuhe achtlos auf das Podest. »Habt ihr Basedov gefunden?«
Philipp fuhr sich mit den Fingern durch den Bart. »Scheiße, nein! Wir sind durch den ganzen Ort gefahren, haben sämtliche Leute befragt.«
Sabriski blickte auf ihre Armbanduhr. »Er ist seit siebzehn Stunden verschollen.«
In diesem Moment wurde Körner klar, dass der Fotograf tot war. Sie konnten nur noch versuchen, seine Leiche zu finden. Irgendwie musste er Basedovs Frau und ihren Kindern beibringen, was passiert war. Doch was war tatsächlich passiert? Er, Sabriski und Berger hatten Basedov zuletzt gesehen, als er die Gaslight Bar betreten hatte. Danach war er nicht wieder aufgetaucht. Was sollte er Basedovs Frau erzählen? Bei dem Gedanken wurde ihm neuerlich schlecht.
»Seid ihr gar nicht nass geworden?«, hörte er Sabriskis Stimme in weiter Ferne. »Alex, merkst du es auch?« Sie blickte zum ovalen Fenster in der Kuppe. »Es hat aufgehört zu regnen.«
Er lauschte. Das Trommeln am Fenster hatte aufgehört. »Gibst du mir dein Handy?«, fragte er plötzlich.
»Mein Akku ist leer«, erklärte Sabriski.
Berger hob abwehrend die Hände. »Ich habe keines.«
Philipp kramte in der Tasche und reichte Körner sein Mobiltelefon. »Das ist ein Wertkartenhandy - keine Anrufe an die Sex-Hotline!«
Körner schnappte sich das Gerät und verließ die Aufbahrungshalle. Vor der Tür roch es nach feuchter Erde, auf dem Parkplatz dampfte der Asphalt. Durch ein winziges Loch in der Wolkendecke blinzelte die Sonne. Es hatte tatsächlich aufgehört zu regnen. Die Kieselsteine der Schotterwege glitzerten, das nasse Gras leuchtete in der Sonne, beinahe lag eine tropische Schwüle auf der Anhöhe. Körner sah über das weite Land. Der Wind wehte nach Osten, mit etwas Glück würden sich die Wolken verziehen. Wenn der Himmel aufklaren und der Wasserstand der Trier schließlich sinken würde, hätten sie gute Chancen, dass ein Bundesheertrupp eine behelfsmäßige Brücke über die Trier schlug. Unmittelbar danach müsste über den Gendarmerieposten Neunkirchen eine groß angelegte Suche nach Basedov organisiert werden.
Körner setzte sich auf die Holzbank unter das Vordach der Kapelle. Er telefonierte mit Jutta Koren.
»Wir haben die beiden Kinder exhumiert …« Er wollte ihr bündig über die Rückenwunden erzählen, darüber, dass ihn sein Instinkt nicht getäuscht hatte und zwei Morde in Grein vertuscht worden waren, möglicherweise sogar mehr. Er wollte ihr von der vergeblichen Suche nach Basedov erzählen, über die Möglichkeit, dass der Fotograf ebenso tot war, doch Koren unterbrach ihn, bevor er ein weiteres Wort sagen konnte.
»Körner, ich habe schlechte Nachrichten für Sie. Der Geiselnehmer ist gestorben! Sie haben ein Verfahren wegen Totschlags am Hals.«
Er fühlte eine unsichtbare Faust im Magen: seine Ex, Verena, die Alimentezahlungen, eine Suspendierung, die ermordeten Kinder, Basedovs Verschwinden, die Anhörung vor Gericht, Bergers Vorladung … und immer wieder musste er an die Staatsanwaltschaft denken. »Weiß Hauser davon?«, fragte er rau. »Noch nicht.«
Seine Gedanken rotierten. Den Fall abzuschließen, glich jetzt einem Wettrennen gegen die Zeit. Noch war er von Koren nicht offiziell suspendiert worden, immerhin war er in diesem Ort eingeschlossen und die einzige Verbindung nach draußen war das Telefon. Sein letzter Funke Hoffnung lag im Moment darin, den Fall so schnell wie möglich zu einem Ende zu bringen. Davon hing alles ab. Doch um die Lösung des Falls voranzutreiben, brauchte er Hausers Unterstützung. Körner musste schnell handeln, bevor der Staatsanwalt von dem Verfahren wegen Totschlags erfuhr - danach wäre es endgültig vorbei.
»Körner …«Jutta Koren räusperte sich. »Ich muss Sie leider …«
Er unterbrach die Verbindung und hielt den Atem an. Wie hypnotisiert starrte er auf das leuchtende Display von Philipps Telefon. Freie Leitung - kein Anruf! Es würde einige Minuten dauern, bis sie herausfand, von welchem Handy er mit ihr gesprochen hatte und sie ihn auf dieser Nummer zurückrief. So lange durfte er nicht warten. Rasch tippte er Hausers Nummer in den Apparat.
Nach dem dritten
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