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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Pater ein Dorn in unserer gottlosen Kirche war. Ganz Grain am Gebirge war zu einem Ort der Hoffnungslosen und Verlorenen geworden. Wird sich das je ändern? Nützt es, wenn die Bewohner den Judas-Schrein zunageln? Oder wird das Böse immer wieder ein Schlupfloch in diese Welt finden, wie wir sie kennen? Genügt es, dass die Verbindung zwischen Pater Dorn und seinem Gezücht unterbrochen ist? Wird es ebenso wie der Pater sterben? Ich wage es zu bezweifeln. Ich habe zu viel gesehen, um diesen frommen Wunsch zu äußern. Meine einzige verbleibende Hoffnung ist, dass es nicht über die Schwelle kriecht, für ewig in der Dunkelheit festsitzt. Ich werde täglich beten, dass es unter der Erde verkümmert und abstirbt. Soll der Teufel sich um sein Gezücht kümmern! Möge er es endgültig zu sich holen! Ich bin hochgeschreckt. Unmittelbar vor der Tür prasselt das Feuer, von starkem Brandgeruch durchzogene Luft dringt durch die Bodenritze. Die Luft in der Kammer wird unerträglich. Wie lange wird die eisenbeschlagene Tür noch halten? Im Moment beherrscht mich nur ein einziger Gedanke: Ich muss fliehen, nicht nur aus der Kirche, sondern aus diesem Ort, aus der gesamten Umgebung. Noch in dieser Nacht! Doch wenn die Dorfbewohner das Tagebuch in meiner Tasche finden, bin ich verloren. Sie werden mich genauso töten wie Pater Dorn. Ich werde es im Mauersockel des Archivs verstecken. Mit etwas Glück überdauert es im tiefen Mauerwerk den Brand. Ich werde versuchen durch das Fenster zu klettern, über die Mauer zu steigen und bei Nacht durch den Ort zu fliehen. Doch wohin? Ich habe nur den Beruf des Messgehilfen erlernt. Angeblich gibt es in Wien viele Kirchen. In dieser fernen Stadt werde ich mein Glück versuchen.
     
    Körners Handy schrillte. Er fuhr vom Stuhl hoch. Rasch griff er nach dem Telefon auf dem Nachtkästchen. Das Display zeigte Basedovs Nummer.
     
    15. Kapitel
     
    Basedov entfernte die Plombe vom Eingang der Diskothek, öffnete die Tür und tastete zum Lichtschalter. Augenblicklich flammten einige Lampen über dem Tresen und in den hinteren Bereichen der Bar auf, welche die Holzsäulen, das Podest, die Tanzfläche und die Tische und Stühle in ein düsteres Licht tauchten. Er lehnte die Tür hinter sich an, ohne sie einschnappen zu lassen, da das Schloss immer noch fehlte.
    Der Regen trommelte auf das Dach. Merkwürdig, eine Diskothek zu betreten, in der es mucksmäuschenstill war, sich keine Menschenleiber aneinander drängten, keine Gläser klirrten, Rauchschwaden durch die Luft zogen und kein zerhacktes, grelles Licht aufblitzte. Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wie sich das anfühlte. Seit seine Kinder auf der Welt waren, hatte er keine Diskothek mehr besucht, und die Zeiten, in denen er mit Philipp und Körner die Mödlinger Bierpubs und Kegelhallen unsicher gemacht hatte, lagen unendlich lange zurück. Seit damals hatte er nicht mehr Billard gespielt.
    Er marschierte Philipps abgesteckte Wegführung entlang, die der Spurensicherer noch immer nicht entfernt hatte. Der Raum roch nach einer ekelhaften Mischung aus Eisen, Schwefel und kaltem Rauch. Am Ende der Tanzfläche zeigten die auf den Boden gemalten Kreidelinien die Umrisse von Sabine Krajniks Körper, rundherum prangten dunkelrote Flecken auf den Holzbohlen. Daneben stand nach wie vor die Stahlkonstruktion mit der Sitzbank, den Lederfesseln und den Seilzügen. Das Gestell warf verzerrte Schatten in den Raum. Auf Grund des Hochwassers hatte das Wiener Spurenteam nicht anreisen können, um das Ding zu zerlegen und ins Labor zu schaffen. Doch das alles interessierte Basedov nicht. Er war wegen einer anderen Sache hier: die schimmernden Flecken auf den Tatortfotos. Auf dem Display der Digitalkamera hatte er sie zunächst nicht bemerkt; erst als er die Bilder auf Martins PC geladen und vergrößert hatte, waren sie ihm aufgefallen. Winzige Reflexe, die aussahen, als spiegle sich das Sonnenlicht in einem Metallsplitter.
    Zuerst dachte er an einen Kamerafehler, doch als er die Bilder miteinander verglich, stellte sich heraus, dass die schimmernden Flecken immer wieder an exakt der gleichen Stelle auftauchten … nämlich an einem Punkt an der Wand. Auf einem der Fotos war sogar der braune Setter zu sehen, der an der Wand emporsprang und mit den Pfoten jene Stelle zu erreichen versuchte, von welcher der Lichtreflex ausging.
    Im Moment wusste Basedov jedoch nicht genau, wo dieser Punkt lag, der mit bloßem Auge nicht zu erkennen war. Er vermutete

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