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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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er vergeblich auf sie ein. Kaum mehr reichte seine rauhe, heisere Stimme, ihnen einen letzten Vorschlag zu machen: sie sollten nicht jeder sich selber töten, sondern wenigstens einer den andern; das sei die kleinere Sünde. Das sahen sie ein, sie nahmen den Vorschlag an, und das war die Rettung. Sie ließen nämlich das Los entscheiden, wer von ihnen jedesmal den andern niederstoßen sollte, und sie würfelten mit den Würfeln, die Josef sich von dem Schauspieler Demetrius Liban hatte schenken lassen. Sie baten einer den andern um Verzeihung und starben, das Bekenntnis auf den Lippen. Als Josef mit dem letzten übrigblieb, ging er einfach

    den Weg aus der Höhle zurück, zu den Römern. Der andere stand eine Weile schlaff, dann kroch er ihm nach.

    Es war der Oberst Paulin, der Josef in Empfang nahm. Er streckte ihm den Arm mit der flachen Hand entgegen, wie ein Sportsmann dem besiegten Gegner, fröhlich grüßend. Josef dankte nicht. Er fiel hin und sagte: Wasser. Sie brachten ihm zu trinken, und er, dies war die frömmste Tat seines Lebens, er bezwang sich und sagte den Segensspruch: Gelobt seist du, unser Gott Jahve, der alles entstehen ließ durch sein Wort, und dann erst trank er. Selig ließ er das Nasse über die Lippen rinnen, durch den Mund, den Schlund hinab, verlangte neues Wasser und nochmals neues und bedauerte, daß er absetzen mußte und Atem holen, und trank. Lächelte breit, töricht übers ganze Gesicht und trank. Die Soldaten standen herum, grinsten gutmütig, schauten zu.
      Man ließ Josef flüchtig sich säubern, gab ihm zu essen, führte ihn gefesselt nach dem Quartier des Feldherrn. Der Weg ging durchs ganze Lager. Überall drängten sich die Soldaten, alle wollten den feindlichen Führer sehen. Viele feixten wohlwollend: das war also der Mann, der ihnen sieben Wochen zu schaffen gemacht hatte. Ein tüchtiger Bursche. Manche, erbittert über den Tod von Kameraden, drohten, schimpften wüst. Andere rissen Witze, weil er so jung, dünn und hager ausschaute: na, Jüdlein, wenn du am Kreuz hängst, ‘ werden die Vögel und die Fliegen wenig zu fressen haben. Josef, so verwahrlost er war, mit verfilzten Haaren, schmutzigen Flaum um die Wangen, ging still durch den ganzen Aufruhr, Drohungen und Witze fielen von ihm ab, mancher senkte den Blick vor seinen traurigen, entzündeten Augen. Als einer gar ihn anspie, hatte er kein Wort für den Beleidiger, er bat nur, der Gefesselte, die Begleitmannschaften, den Speichel abzuwischen, da es unziemlich sei, so vor den Feldherrn zu treten.
      Es war aber ein weiter Weg durch das Lager. Zelte, Zelte, neugierige Soldaten. Dann der Altar des Lagers. Davor, plump, golden, feindselig und gewalttätig, die Adler der drei Legionen. Dann wieder Zelte, Zelte. Es kostete den geschwächten Mann viel Mühe, sich aufrecht zu halten, aber er riß sich zusammen
    und ging aufrecht den langen Weg der Schmach.
      Als man das Zelt des Marschalls endlich erreicht hatte, sah Josef zunächst außer dem Oberst Paulin nur einen jungen Herrn mit den Generalsabzeichen, nicht groß, doch breit und fest von Figur, mit rundem, offenem Gesicht, das kurze Kinn kräftig vorgestoßen, so daß es scharf dreieckig einzackte. Josef wußte sogleich, das war Titus, der Sohn des Feldherrn. Der junge General kam ihm entgegen. »Es tut mir leid«, sagte er freimütig, liebenswürdig, »daß Sie Pech gehabt haben. Sie haben sich ausgezeichnet geschlagen. Wir haben euch Juden unterschätzt, ihr seid vortreffliche Soldaten.« Er sah seine Erschöpfung, hieß ihn sitzen. »Heiße Sommer habt ihr hier«, sagte er. »Aber hier im Zelt haben wir es angenehm kühl.«
      Unterdes war aus dem Vorhang, der das Zelt teilte, Vespasian selbst hereingekommen, sehr bequem angezogen, mit einer statiösen, resoluten Dame. Josef erhob sich, versuchte, auf römische Art zu grüßen. Der Marschall aber winkte gemütlich ab. »Geben Sie sich keine Mühe. Verdammt jung sehen Sie aus, mein Jüdlein. Wie alt sind Sie?« – »Dreißig«, erwiderte Josef. »Siehst du, Cänis«, schmunzelte Vespasian, »wie weit man es mit dreißig Jahren bringen kann.« Die Dame Cänis betrachtete Josef ohne Wohlwollen. »Der Jude gefällt mir wenig«, äußerte sie unverhohlen. »Sie kann Sie nicht leiden«, erklärte Vespasian dem Josef, »weil sie sich so erschreckte, wie ihr mir die Steinkugel auf den Fuß gepfeffert habt. Es war übrigens blinder Alarm, man merkt schon nichts mehr.« Als er aber jetzt auf Josef zukam, sah man

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