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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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dringlich, flehentlich fast auf Sapita. Der mußte sein Unrecht einsehen, versöhnt sterben. Aber Sapitas blutunterlaufene Augen hatten sich verdreht, sein Kiefer war herabgefallen: Josef hatte sein Versprechen einem Toten gegeben.
      Von diesem Tag an gönnte sich Josef kaum mehr Schlaf. Er war überall auf den Mauern. Sein Gesicht brannte, seine Lider schmerzten, sein Gaumen war geschwollen, seine Ohren taub vom Lärm der Belagerungsmaschinen, seine Stimme rauh und heiser. Aber er schonte sich nicht, er sparte sich nicht. So hielt er es drei Tage durch, bis die Mitternacht des neunundvierzigsten Tages erreicht war. Dann fiel er in einen steintiefen Schlaf.
      Im grauenden Morgen des ersten Juli, am fünfzigsten Tag nach dem Beginn der Belagerung, nahmen die Römer die Festung Jotapat.

    Es waren noch nicht zwei Stunden, daß Josef sich hingelegt hatte, als man ihn hochriß und ihm zuschrie: sie sind da. Er torkelte aus seinem Schlaf, raffte an sich, was ihm unter die Hände kam, Fleisch, Brot, den blumenbestickten Priestergürtel, die Urkunde, die ihn zum Kommissar bestellte, die Würfel, die einmal in Rom der Schauspieler Demetrius Liban ihm geschenkt hatte. Er stolperte auf die Straße, in den grauenden Morgen hinein. Einige aus seiner Umgebung rissen ihn mit sich, hinunter in einen unterirdischen Gang, einer verlassenen Zisterne zu, die sich in eine ziemlich geräumige Höhle ausweitete.
      Sie waren ein gutes Dutzend in dieser Höhle, ein Schwerverwundeter darunter, sie hatten Lebensmittel, aber einen einzigen kleinen Eimer Wasser. Tagsüber blieben sie zuversichtlich, aber in der Nacht zeigte sich, daß an ein Entkommen nicht zu denken war. Der unterirdische Gang war verästelt und verwinkelt, allein er mündete immer wieder in diese Höhle und hatte nur den Ausgang in die Stadt, wo die Römer scharfe Wacht hielten.
      Am zweiten Tag starb der Verwundete. Am dritten Tag ging ihnen das Wasser aus, am vierten Tag waren die durch die lange Belagerung geschwächten Männer krank und irr vor Durst.
      Am fünften Tag lag Josef Ben Matthias in einem Winkel der Höhle, er hatte den blauen Priestergürtel unter den Kopf gelegt, das Kleid übers Gesicht gezogen und wartete, daß die Römer kämen und ihn erschlügen. Seine Eingeweide brannten, immer wieder versuchte er zu schlucken, trotzdem er wußte, wie peinvoll und unmöglich das war, seine Pulse flatterten, all sein Gebein stach und prickelte. Die geschlossenen Lider rieben seine entzündeten Augen, durch die Dunkelheit tanzten Punkte und Kreise, vergrößerten sich wild, schrumpften, funkelten, verschlangen sich. Süß und lockend war es, den Tod zu beschleunigen, sich umzubringen; aber eine Hoffnung blieb: vielleicht kann man vorher trinken. Vielleicht, wenn die Römer kommen, geben sie ihm zu trinken, bevor sie ihn ans Kreuz hängen. In Jerusalem gibt es eine Vereinigung wohltätiger Damen, die den zum Kreuz Verurteilten einen Trank aus Wein und Myrrhen auf ihren Weg mitgeben. Das wäre ein guter Tod. Er schiebt das Kleid zurück vom Kopf und lächelt mit seinen trockenen Lippen.
      Greifbar vor sich sieht er die große Zisterne mit dem rationierten Wasser, mit dem vielen, vielen rationierten Wasser. Da jetzt die Römer da sind, braucht man doch mit dem Wasser nicht mehr zu sparen. Daß er bis jetzt nicht daraufkam. Er sieht sich auf dem Weg zur Zisterne. Viele sind auf diesem Weg. Aber er geht mitten durch die schreienden Juden und die Römer, die sich die Straße hinauftasten, er ist ja der Feldherr, und die Leute teilen sich vor ihm, immer geradewegs der Zisterne zu geht er, unbeirrbar, gierig. Trinken! An der Zisterne sind keine Wächter mehr. Aber da steht einer und will ihn nicht trinken lassen. Gehen Sie gefälligst weg, Sapita. Ich schlage Sie nieder, wenn Sie mich nicht trinken lassen. Bin ich feige gewesen? Habe ich mich kostbar gemacht, wenn es Schwerter gab, fliegende Eisen, Feuerbrände, von der Mauer polternde Männer? Stemmen Sie nicht so blöd den Widderkopf hoch mit Ihrem gesunden Arm. Ich weiß ganz genau, daß Sie tot sind. Sie sind ein hundsgemeiner Lügner, Sapita, und wenn Sie hundertmal tot sind. Sie haben da wegzugehen.
      Das peinvolle, vergebliche Schlucken kratzt Josef den geschwollenen Rachen auf, reißt ihn aus seinen Phantasien. Er zieht wieder das Kleid übers Gesicht. Er will das alles weghaben. Wie er in der Wüste war, bei dem Essäer Banus, und sich kasteit hat, damals hat er Gesichte gebraucht, aber jetzt will

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