Der Jünger
lediglich als das Resultat ihres schlechten Gewissens und einer zu lebhaften Fantasie ab, verließ die Kirche und blieb auf dem oberen Treppenabsatz stehen.
Der Himmel war klar und mit Sternen übersät. Eine trügerische Schönheit inmitten einer Welt, die schon lange nicht mehr sicher war. Sie ließ den Blick über den Parkplatz schweifen, wollte sich vergewissern, dass dort niemand lauerte, bevor sie schnell zum Auto lief.
Als sie die Stufen hinabstieg, flog etwas an ihr vorbei.
Ein Stück Papier senkte sich zu Boden.
Sicher nur Müll.
Trotzdem blieb sie stehen, beobachtete, wie es weitergeweht wurde und in einem Gebüsch hängen blieb. Neugierig rannte sie die Treppe hinunter und hob es auf, bevor es wieder weggeweht werden konnte, steckte es in die Tasche und lief zum Auto.
Auf dem Weg nach Hause fühlte sie sich, als wäre ein Gewicht von ihren Schultern genommen. Es machte ihr jetzt nichts mehr aus, sollte sie weiter Jay Carpenters Geist an jeder Ecke sehen. Sie war von dem Hass befreit, den sie in sich gehabt hatte.
Als sie ihre Wohnung betrat, stellte sie fest, dass sie hungrig war. Sie machte sich ein Sandwich, goss sich ein Glas Mineralwasser ein und setzte sich an den Küchentresen, um zu essen. Sie war fast fertig, als ihr das Stück Papier wieder einfiel.
Sie kam sich ein bisschen albern vor, während sie es holte, sagte sich, es sei wahrscheinlich Schokoladenpapier und würde jetzt ihre Tasche vollkleben, was ihr nur recht geschah, wenn sie sich so melodramatisch aufführte.
Sie nahm die Jacke, zog das Stück Papier heraus und nahm es mit in die Küche, wo Licht war. Als sie es auf den Tresen legte, bemerkte sie, dass auf der anderen Seite etwas geschrieben stand. Also kein Schokoladenpapier.
Sie drehte es um.
Ein Stück von dem Zettel war abgerissen, doch sie konnte lesen, was darauf stand, und begann zu weinen.
Welche Kraft ihr auch immer beigestanden hatte, ihre Gebete waren erhört worden.
Andächtig starrte sie auf die Worte, die in einer zittrigen Handschrift aufgezeichnet worden waren: “…
wie wir vergeben unsern Schuldigern.”
Ihr Herz schlug heftig und ihre Finger zitterten, als sie realisierte, dass die Eingangstür geöffnet wurde.
Es war Ben.
Sie hörte, wie er nach ihr rief, und versuchte, Atem zu holen, um ihm zu antworten.
“Süße, ich bin es! Hast du mir etwas vom Essen übrig gelassen?”, rief er.
January schloss die Finger um das Stück Papier.
Dann rollte sie es zusammen, steckte es in ihre Tasche und drehte sich zu Ben um.
– ENDE –
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