Der Jüngling
als ich, als Muster hin; ja, sie kniff und puffte mich sogar gehörig, unddas sogar mehrmals und so, daß es weh tat. Hatte sie mich ausgestattet und an meiner neuen Stelle untergebracht, so verschwand sie für einige Jahre spurlos. Und so war sie auch jetzt gleich nach meiner Ankunft erschienen, um mir wieder ein Unterkommen zu verschaffen. Sie war eine kleine, magere Person mit einem spitzen Vogelnäschen und scharfen Vogeläuglein. Gegenüber Wersilow war sie von einer sklavischen Dienstfertigkeit und verehrte ihn wie einen Papst, aber aus wirklicher Überzeugung. Bald aber bemerkte ich mit Erstaunen, daß sie geradezu überall und bei allen Menschen bekannt war und vor allem überall und von allen Menschen hochgeschätzt wurde. Der alte Fürst Sokolskij benahm sich gegen sie ungewöhnlich respektvoll; ebenso seine Familie; ebenso diese stolzen Kinder Wersilows; ebenso die Fanariotows, – und dabei lebte Tatjana Pawlowna von Näharbeit und vom Waschen feiner Spitzen und machte Handarbeiten für Läden. Ich und sie gerieten gleich beim ersten Wort miteinander in Streit, weil sie sich sogleich einfallen ließ, mich wie früher, vor sechs Jahren, anzuranzen; seitdem zankten wir uns täglich; aber das hinderte uns nicht, manchmal freundschaftliche Gespräche miteinander zu führen, und ich muß gestehen, daß sie mir gegen Ende des Monats zu gefallen anfing; ich glaube, wegen ihres selbständigen Charakters. Übrigens sagte ich ihr nichts davon.
Ich durchschaute sofort, daß man mir die Stelle bei diesem alten, kranken Herrn nur deshalb übertrug, damit ich für seine Unterhaltung sorgte, und daß darin mein ganzer Dienst bestehen würde. Natürlich erschien mir das entwürdigend, und ich wollte schon sogleich die nötigen Maßnahmen ergreifen; aber sehr bald rief dieser alte Sonderling eine unerwartete Empfindung in mir hervor, eine Art Mitleid, und am Ende des Monats fühlte ich mich in merkwürdiger Weise ihm zugetan, jedenfalls hatte ich die Absicht, ihm grob zu kommen, aufgegeben. Übrigens war er nicht mehr als sechzig Jahre alt. Es war mit ihm eine aufsehenerregende Geschichte passiert. Vor anderthalb Jahren hatte er plötzlich einen Anfall gehabt; er war irgendwo hingereist und unterwegs geisteskrank geworden, so daß daraus eine Art Skandal entstanden war, über den inPetersburg viel geredet wurde. Wie es in solchen Fällen Sitte ist, wurde er sofort ins Ausland geschafft, aber fünf Monate darauf erschien er plötzlich wieder, und zwar vollständig gesund, wenn er auch den Dienst quittierte. Wersilow versicherte allen Ernstes (und mit bemerkenswertem Eifer), daß eine Geistesstörung bei ihm überhaupt nicht vorgelegen habe, sondern nur ein nervöser Anfall. Dieser Eifer Wersilows fiel mir gleich auf. Übrigens will ich bemerken, daß auch ich beinah derselben Ansicht war. Der alte Fürst zeigte höchstens manchmal einen zu seinen Jahren nicht recht stimmenden Leichtsinn, was früher, wie man sagte, nicht der Fall gewesen war. Es hieß, er habe früher irgendwo und irgendwie gute Ratschläge gegeben und sich einmal bei einem ihm erteilten Auftrag besonders ausgezeichnet. Obwohl ich ihn schon einen ganzen Monat kannte, hätte ich nicht geglaubt, daß er als Ratgeber jemals von besonderer Stärke gewesen wäre. Man hatte an ihm bemerkt (obgleich ich es nicht bemerkt hatte), daß sich bei ihm nach jenem Anfall eine besondere Neigung herausgebildet hatte, möglichst bald zu heiraten, und glaubte, daß er in diesen anderthalb Jahren schon mehrmals habe zur Ausführung dieser Idee schreiten wollen. Davon hatte man in der Gesellschaft Kenntnis, und es fanden sich auch Interessenten. Aber da diese Neigung den Interessen gewisser Personen in der Umgebung des Fürsten sehr wenig entsprach, so wurde der alte Mann von allen Seiten argwöhnisch bewacht. Seine eigene Familie war nur klein; er war schon seit zwanzig Jahren Witwer und hatte nur eine einzige Tochter, jene verwitwete Generalin, die jetzt täglich aus Moskau erwartet wurde, eine junge Person, vor deren energischem Charakter er unzweifelhaft Angst hatte. Aber er hatte eine Unmenge verschiedener entfernter Verwandter, namentlich von Seiten seiner verstorbenen Frau, die sämtlich beinahe Bettler waren, und außerdem eine Masse von Pflegesöhnen und Pflegetöchtern, die alle viele Wohltaten von ihm empfangen hatten, nun auf einen kleinen Anteil in seinem Testament hofften und daher alle die Generalin bei der Beaufsichtigung des alten Mannes unterstützten. Er
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