Der Jüngling
meiner Schwester führte, die Absicht ausgesprochen, ein Heiligenbild zu verpfänden, das ihr aus irgendeinem Grund besonders teuer war. Mein Monatsgehalt sollte fünfzig Rubel betragen; aber ich wußte gar nicht, auf welche Weise ich es erhalten würde; bei meiner Anstellung war mir darüber nichts gesagt worden. Als ich drei Tage vorher unten mit dem Beamten zusammengetroffen war, hatte ich mich bei ihm erkundigt, an wen man sich hier wegen seines Gehalts zu wenden habe. Dieser sah mich mit einem erstaunten Lächeln an (er konnte mich nicht leiden) und erwiderte:
»Bekommen Sie denn ein Gehalt?«
Ich dachte, er würde nach meiner bejahenden Antwort sagen: ›Wofür denn eigentlich?‹
Aber er antwortete nur trocken, er wisse nichts darüber, und steckte die Nase wieder in sein liniiertes Buch, in das er aus irgendwelchen Papieren Rechnungsposten eintrug.
Es war ihm übrigens wohlbekannt, daß ich denn doch dies und das getan hatte. Zwei Wochen vorher hatte ich volle vier Tage über einer Arbeit gesessen, die er selbst mir übergeben hatte; angeblich handelte es sich nur darum, von einem Konzept eine Reinschrift anzufertigen; es stellte sich aber heraus, daß fast eine vollständige Umarbeitung nötig war. Es war dies ein ganzer Haufen von »Gedanken« des Fürsten, die er dem Komitee der Aktionäre einzureichen beabsichtigte. Hieraus mußte ein abgerundetes Ganzes hergestellt werden, und auch der Stil bedurfte der Verbesserung. Der Fürst und ich saßen nachher einen ganzen Tag lang über diesem Schriftstück, und er disputierte mit mir sehr hitzig, äußerte aber doch seine Zufriedenheit; ich weiß nur nicht, ob er sein Expose auch wirklich eingereicht hat. Die zwei, drei Briefe, ebenfalls geschäftlichen Inhalts, die ich auf Bitten des Beamten geschrieben hatte, will ich gar nicht erwähnen.
Um mein Gehalt zu bitten war mir auch deswegen unangenehm, weil ich bereits vorhatte, meine Stelle aufzugeben, da ich ahnte, daß zwingende Umstände mich nötigen würden, von hier fortzugehen. Als ich an jenem Morgen aufwachte und mich oben in meiner Kammer anzog, fühlte ich,daß mir das Herz heftig schlug, und obgleich ich mir vornahm, mich um nichts zu scheren, verspürte ich dennoch, als ich das Haus des Fürsten betrat, wieder dieselbe Erregung: an diesem Vormittag mußte jene Person, jene Frau eintreffen, von deren Anwesenheit ich eine Aufhellung all der Zweifel, die mich quälten, erwartete. Dies war die Tochter des Fürsten, jene Generalin Achmakowa, die junge Witwe, von der ich schon gesprochen habe, Wersilows erbitterte Feindin. Endlich habe ich diesen Namen hergeschrieben! Ich hatte sie allerdings noch nie gesehen und konnte mir keine Vorstellung machen, ob überhaupt und wie ich mit ihr reden würde; aber ich glaubte (und dazu hatte ich vielleicht ausreichende Gründe), daß mit ihrer Ankunft sich der dunkle Nebel lichten würde, der Wersilow in meinen Augen umgab. Ich vermochte nicht ruhig zu bleiben: ich ärgerte mich sehr, daß ich gleich beim ersten Schritt so kleinmütig und linkisch war; ferner befand ich mich in gespannter Erwartung, und vor allen Dingen war mir die Sache höchst widerwärtig, – so kamen drei verschiedene Empfindungen zusammen. Ich erinnere mich an diesen ganzen Tag auf das allergenaueste!
Daß seine Tochter wahrscheinlich an diesem Tag ankommen würde, wußte mein Fürst noch nicht, er erwartete ihre Rückkehr erst ungefähr in einer Woche. Ich hatte es tags zuvor ganz zufällig erfahren: Tatjana Pawlowna, die von der Generalin einen Brief erhalten hatte, beging, während ich im Zimmer war, im Gespräch mit meiner Mutter eine Unvorsichtigkeit. Sie flüsterten zwar nur miteinander und redeten in Andeutungen, aber ich erriet es doch. Selbstverständlich horchte ich nicht; aber ich konnte nicht umhin, weiter hinzuhören, als ich sah, in welche Aufregung meine Mutter bei der Nachricht von der Ankunft dieser Frau plötzlich geriet. Wersilow war nicht zu Hause.
Dem alten Herrn wollte ich keine Mitteilung machen, da mir die ganze Zeit über nicht hatte entgehen können, wie sehr er sich vor ihrer Ankunft fürchtete. Er hatte sich sogar drei Tage vorher die Bemerkung entschlüpfen lassen, allerdings nur schüchtern und andeutungsweise, er fürchte ihre Ankunft meinetwegen, das heißt, er fürchte, daß es ihm um meinetwillen schlimm ergehen werde. Ich muß indeshinzufügen, daß er seiner Familie gegenüber seine Selbständigkeit und seine Stellung als Oberhaupt doch zu wahren wußte,
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