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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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hat und vielleicht durch seine Persönlichkeit noch auf lange Zeit hinaus für meine Zukunft bestimmend gewesen ist, daß dieser Mann auch jetzt noch in sehr vieler Hinsicht für mich ein vollständiges Rätsel geblieben ist. Aber davon später. Das läßt sich nicht so von vornherein erzählen. Von diesem Mann werde ich ohnehin in meinem Heft fortwährend zu reden haben.
    Er war damals, das heißt im Alter von fünfundzwanzig Jahren, gerade Witwer geworden. Er war mit einer Frau verheiratet gewesen, die zwar den höchsten Gesellschaftskreisen angehörte, aber nicht sehr reich war, einer geborenen Fanariotowa, und hatte von ihr einen Sohn und eine Tochter. Meine Nachrichten über diese so früh von ihm gegangene Gattin sind nur sehr unvollständig und in meinem Material nicht so ohne weiteres zu finden, und auch vieles von Wersilows privaten Lebensverhältnissen ist mir unbekannt geblieben, so stolz, hochmütig, verschlossen und geringschätzig benahm er sich fast immer gegen mich, obgleich er mich zuzeiten durch sein sozusagen demütiges Wesen mir gegenüber in Erstaunen versetzte. Ich erwähne jedoch zur Charakterisierung im voraus, daß er im Laufe seines Lebens drei Vermögen durchgebracht hat und sogar sehr beträchtliche, im ganzen über vierhunderttausend Rubel und vielleichtnoch mehr. Jetzt besitzt er natürlich nicht eine Kopeke...
    Er kam damals, Gott weiß warum, auf sein Gut, wenigstens drückte er sich mir gegenüber in der Folgezeit so aus. Seine kleinen Kinder hatte er, wie das so seine Gewohnheit war, nicht bei sich, sondern zu Verwandten gebracht; so behandelte er seine Kinder sein ganzes Leben lang, sowohl die legitimen als auch die illegitimen. Das Gesinde auf diesem Gut war sehr zahlreich; darunter befand sich auch der Gärtner Makar Iwanow Dolgorukij. Ich möchte hier einfügen, um es ein für allemal abzutun: selten hat sich wohl jemand über seinen Familiennamen so geärgert, wie ich es mein ganzes Leben lang getan habe. Das war natürlich dumm von mir, aber ich tat es doch. Jedesmal, wenn ich in eine Schule eintrat oder mit Leuten zusammenkam, denen zu antworten, ich nach meinem Lebensalter verpflichtet war, wiederholte sich dasselbe: jeder Lehrer, jeder Erzieher, jeder Inspektor, jeder Pope, jeder, den man sich nur denken kann, hielt es, nachdem er nach meinem Familiennamen gefragt und gehört hatte, daß ich Dolgorukij heiße, für nötig hinzuzufügen:
    »Fürst Dolgorukij?«
    Und jedesmal mußte ich all diesen müßigen Fragern antworten:
    »Nein, einfach Dolgorukij.«
    Dieses einfach brachte mich schließlich beinahe um den Verstand. Ich bemerke dabei als Kuriosität, daß ich mich an keine einzige Ausnahme erinnere: alle stellten sie jene Frage. Manchen war die Sache offenbar ganz egal, und ich weiß auch in der Tat nicht, was für ein Interesse jemand daran haben konnte. Aber alle fragten sie so, alle ohne Ausnahme. Und wenn der Frager dann gehört hatte, daß ich einfach Dolgorukij sei, maß er mich gewöhnlich mit einem stumpfen, gleichgültigen Blick, welcher bekundete, daß er selbst nicht wußte, warum er gefragt hatte, und ging weg. Am beleidigendsten waren derartige Fragen von seiten der Schulkameraden. Denn wie geht es dabei zu, wenn ein Schüler einen Neuen befragt? Der ängstliche, verlegene Neue ist am ersten Tag seines Eintritts in die Schule (was für eine es auch sein mag) das allgemeine Opfer: man befiehltihm dies und jenes, hänselt ihn und behandelt ihn wie einen Bedienten. Da stellt sich so ein gesunder, wohlgenährter Bengel gerade vor sein Opfer hin und mustert dieses eine Weile mit strengem, hochmütigem Blick. Der Neue steht schweigend vor ihm da, sieht ihn, wenn er nicht feige ist, von der Seite an und wartet, was da kommen wird.
    »Wie heißt du mit Familiennamen?«
    »Dolgorukij.«
    »Fürst Dolgorukij?«
    »Nein, einfach Dolgorukij.«
    »Soso, einfach Dolgorukij! Du Schafskopf!«
    Und er hat recht: es kann nichts Dümmeres geben, als Dolgorukij zu heißen, ohne Fürst zu sein. Diese Dummheit schleppe ich ohne Schuld mit mir herum. In späterer Zeit, als ich schon anfing, mich sehr darüber zu ärgern, gab ich auf die Frage: »Bist du Fürst?« immer zur Antwort: »Nein, ich bin der Sohn eines Gutsknechts, eines ehemaligen Leibeigenen.«
    Und später, als meine Wut schon den höchsten Grad erreicht hatte, antwortete ich auf die Frage: »Sind Sie Fürst?« in festem Ton: »Nein, einfach Dolgorukij, der illegitime Sohn meines ehemaligen Gutsherrn, des Herrn

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