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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Wohnung Wersilows. Davon werde ich später noch zu sprechen haben; hier bemerke ich nur noch, daß Makar Iwanowitsch sich nicht etwa im Salon auf den Sofas herumrekelte, sondern sich bescheiden irgendwo in einem Kämmerchen einquartierte. Er blieb nicht lange, nur etwa fünf Tage oder eine Woche.
    Ich habe vergessen zu sagen, daß er seinen Familiennamen Dolgorukij außerordentlich liebte und auf ihn den größten Wert legte. Selbstverständlich war das eine lächerliche Dummheit. Das dümmste dabei war, daß ihm sein Familienname gerade deswegen gefiel, weil es FürstenDolgorukij gibt. Eine sonderbare, ganz verdrehte Auffassung!
    Wenn ich gesagt habe, die ganze Familie sei immer zusammen gewesen, so habe ich mich selbstverständlich ausgenommen. Ich war gewissermaßen ein Ausgestoßener und war schon fast unmittelbar nach meiner Geburt bei fremden Leuten untergebracht werden. Aber das war nicht in irgendeiner besonderen Absicht geschehen, sondern hatte sich einfach von selbst so ergeben. Meine Mutter war, als sie mich zur Welt gebracht hatte, noch jung und schön, und daher brauchte er sie notwendig, und ein kleiner Schreihals wäre in dieser Hinsicht hinderlich gewesen, namentlich auf Reisen. So kam es denn, daß ich bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr meine Mutter fast gar nicht zu sehen bekommen habe, nur zwei- oder dreimal flüchtig. Schuld daran war nicht etwa Mangel an Gefühl bei meiner Mutter, sondern Wersilows Hochmut anderen Menschen gegenüber.

VII
     
    Jetzt von etwas ganz anderem.
    Einen Monat vorher, das heißt einen Monat vor dem 19. September, faßte ich in Moskau den Entschluß, mich von all den Meinigen loszusagen und vollständig in meiner Idee aufzugehen. Ich schreibe absichtlich hin: »in meiner Idee aufzugehen«, weil dieser Ausdruck meinen Hauptgedanken, das Ziel, für das ich auf der Welt bin, ziemlich vollständig bezeichnet. Was das für eine Idee ist, davon wird später noch sehr viel zu sprechen sein. In der Einsamkeit meines langjährigen, träumerischen Moskauer Lebens hatte sich diese Idee schon in der sechsten Gymnasialklasse in meinem Kopf gebildet und mich seitdem wohl keinen Augenblick verlassen. Sie verschlang mein ganzes Leben. Ich hatte auch vorher mich oft Träumereien hingegeben und gleich von meiner Kindheit an in jenem bewußten Traumland gelebt; aber als diese wichtigste, alles verschlingende Idee in meinem Kopf aufgetaucht war, hatten meine Träumereien an Kraft gewonnen, eine bestimmte Form angenommen und sich aus törichten zu verständigen entwickelt. Das Gymnasium war den Träumereien nicht hinderlich gewesen; es war ebensowenigder Idee hinderlich. Ich füge jedoch hinzu, daß ich im letzten Schuljahr nur ein schlechter Schüler war, während ich bis zur siebenten Klasse immer zu den ersten gehört hatte; es war dies die Folge eben jener Idee, die Folge eines vielleicht unrichtigen Schlusses, den ich aus ihr gezogen hatte. Auf diese Weise war nicht das Gymnasium der Idee hinderlich, sondern die Idee dem Gymnasium. Sie erwies sich auch für das Universitätsstudium hinderlich. Als ich das Gymnasium absolviert hatte, nahm ich mir sogleich vor, nicht nur mit allen meinen Angehörigen vollständig zu brechen, sondern nötigenfalls auch mit der ganzen Welt, obwohl ich damals erst zwanzig Jahre alt war. So schrieb ich denn durch die angemessene Mittelsperson an die angemessene Stelle in Petersburg, man möge mich künftighin völlig in Ruhe lassen, mir kein Geld mehr zu meinem Unterhalt schicken und mich möglichst ganz vergessen (das heißt, selbstverständlich falls man sich meiner überhaupt noch erinnere), und zum Schluß teilte ich mit, daß ich »um keinen Preis« die Universität beziehen würde. Ich stand vor folgendem unausweichlichem Dilemma: entweder mußte ich mir den Besuch der Universität und den weiteren Ausbau meiner Bildung versagen, oder ich mußte die sonst sofort mögliche Umsetzung der »Idee« in die Tat noch um vier Jahre hinausschieben. Ich entschied mich, ohne zu schwanken, für die Idee, von deren Richtigkeit ich wie von der eines mathematischen Lehrsatzes überzeugt war. Wersilow, mein Vater, den ich erst ein einziges Mal in meinem Leben als zehnjähriger Knabe gesehen hatte (und der in diesem einen Augenblick einen starken Eindruck auf mich gemacht hatte), Wersilow forderte mich in Beantwortung meines Briefes, der übrigens nicht an ihn gerichtet gewesen war, selbst in einem eigenhändigen Schreiben auf, nach Petersburg zu kommen, und stellte

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