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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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selbst nichts versteht und ich ihm das beweisen kann. Allerdings weiß ich nichts von den Weibern und will auch nichts von ihnen wissen, weil ich zeit meines Lebens auf sie pfeifen werde und mir das fest vorgenommen habe. Aber ich weiß doch sicher, daß manche Frau den Mann durch ihre Schönheit oder durch sonst etwas in einem Augenblick bezaubert, während man eine andere ein halbes Jahr lang studieren muß, ehe man erkennt, was an ihr ist, und daß, um eine solche Frau zu durchschauen und liebzugewinnen, es nicht ausreicht, sehen zu können und einfach zu allem bereit zu sein, sondern man außerdem auch noch einer besonderen Begabung bedarf. Davon bin ich überzeugt, obwohl ich nichts weiß, und wenn das Gegenteil derFall wäre, so müßte man alle Frauen mit einemmal auf die Stufe gewöhnlicher Haustiere hinabdrücken und sie nur in dieser Stellung bei sich halten; vielleicht würden das viele sehr gern tun.
    Ich weiß durch Mitteilungen von verschiedenen Seiten her positiv, daß meine Mutter keine Schönheit war, obgleich ich ein damals angefertigtes Porträt von ihr, das irgendwo existiert, nicht gesehen habe. Sich auf den ersten Blick in sie zu verlieben, war also nicht möglich. Zum Zweck eines bloßen Amüsements könnte sich Wersilow eine andere aussuchen, und eine solche war da, noch dazu eine unverheiratete, nämlich das Stubenmädchen Antissa Konstantinowna Saposhkowa. Ein Mensch aber, der mit dem Anton Goremyka im Kopf auf sein Gut kam und der dann auf Grund seines Rechts als Gutsherr die Heiligkeit der Ehe von auch nur einem einzigen Leibeigenen verletzte, der hätte sich doch stark vor sich selbst schämen müssen, denn ich wiederhole es: von diesem Anton Goremyka hat er noch vor einigen Monaten, also zwanzig Jahre nach jenen Ereignissen, in durchaus ernstem Ton gesprochen. Und diesem Anton wurde ja nur ein Pferd weggenommen, hier aber die Ehefrau! Es muß also etwas Besonderes stattgefunden haben, weswegen denn auch Mademoiselle Saposhkowa das Spiel verlor (meiner Ansicht nach war es für sie ein Gewinn). Ich habe ihm im vorigen Jahr mit all diesen Fragen ein paarmal zugesetzt, sobald es möglich war, mit ihm ein Gespräch zu führen (denn das war nicht immer möglich), und habe bemerkt, daß er trotz seiner weltmännischen Haltung und obwohl er zwanzig Jahre älter ist als ich, doch Ausflüchte machte. Aber ich ließ nicht locker, und wenigstens murmelte er einmal mit jener Miene vornehmer Geringschätzung, die er sich oft mir gegenüber . erlaubte, einen sonderbaren Gedanken vor sich hin: meine Mutter sei eine jener Schutzlosen gewesen, die man nicht eigentlich liebgewinne – im Gegenteil, durchaus nicht –, sondern gewissermaßen bedaure ; ob wegen ihrer Demut oder weshalb sonst, das wisse nie jemand; aber dieses Bedauern halte länger an, und man fühle sich dadurch gebunden ... »Mit einem Wort, mein Lieber, die Sache gestaltet sich manchmal so, daß man nicht wieder loskommt.«Das hat er zu mir gesagt, und wenn es tatsächlich so zugegangen ist, so kann ich nicht glauben, daß er damals ein so dummer junger Hund gewesen ist, wie er zu jener Zeit gewesen zu sein angibt. Das mußte ich doch aussprechen.
    Übrigens versicherte er mir bei demselben Gespräch, meine Mutter habe ihn aus »Unterwürfigkeit« geliebt: es fehlte nur noch, daß er behauptete, sie habe es gemäß ihrer Pflicht als Leibeigene getan! Er hat gelogen, um der Sache ein schönes Mäntelchen umzuhängen, gelogen gegen sein Gewissen und gegen Ehre und Anstand!
    Alles dies habe ich natürlich zum Lob meiner Mutter gesagt, jedoch habe ich bereits erklärt, daß ich von ihrem damaligen Wesen gar keine Kenntnis habe. Wohl aber kenne ich die in ihrer Umgebung herrschenden strengen Anschauungen, in denen sie von klein auf heranwuchs und dann ihr ganzes Leben über verharrte. Und trotzdem geschah das Unglück. Bei dieser Gelegenheit muß ich mich korrigieren: ich bin in die Wolken hinauf geflogen und habe vergessen, eine Tatsache zu berichten, die ich vielmehr hätte ganz an die Spitze stellen sollen: nämlich die Sache begann bei ihnen geradeswegs mit dem Unglück. (Ich hoffe, der Leser wird sich nicht so anstellen, als verstände er nicht sogleich, wovon ich rede.) Kurz, es begann bei ihnen ganz in gutsherrlicher Manier, obwohl Mademoiselle Saposhkowa übergangen war. Aber hier will ich mich verteidigen und von vornherein bemerken, daß ich mir ganz und gar nicht widerspreche. Denn wovon in aller Welt konnte damals ein solcher

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