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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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den vergangenen Jahren zarter geworden war, blauer, immer glasähnlicher, immer durchsichtiger vom Alkohol, der durch seine Adern geflossen war, die alle sichtbar waren.
    »Ich bin in den Wald hinter Lunden gegangen und hab den ganzen Scheiß verbrannt, mit Karton und allem.«
    »Das ist gut«, sagte Johnny.
    »Meinst du das ehrlich, Bergman?«
    »Ja.«
    »Es hat wahnsinnig gequalmt, wahrscheinlich vom Karton.«
    Johnny nickte.
    »Es war wie eine … Einäscherung«, sagte Eskil. »Das musste ich denken. Eine Art Einäscherung. Begreifst du, was ich meine?«
    »Ich glaube schon, Eskil.«
    »Der Rauch zog wie eine große Wolke über den See. Das war Vater. Das war sein Leben oder wie soll man sagen. Er war es, nicht ich.« Eskil schaute zum Himmel hinauf, der klarer und tiefer wurde. Die Hausdächer um Marktplatz und Brücke und Fluss waren wie in Asche gezeichnete schwarze Silhouetten. »Als ich den Rauch überm See und überm Moor verschwinden und sich dann auflösen sah, wusste ich, dass ich richtig gehandelt habe. Und komischerweise ist kaum Asche übrig geblieben, fast so, als hätte das was zu bedeuten.«
    »Es bedeutet, dass du richtig gehandelt hast«, sagte Johnny.
    »Das erste und einzige Mal«, sagte Eskil.
    »Es bedeutet, dass du auch in Zukunft richtig handeln wirst.« Johnny lächelte.
    »He, bist du Hellseher oder was, Bergman?«
    »Im Augenblick bin ich das.«
    »Hier hast du meine Hand.« Eskil streckte eine Hand aus, die leicht zitterte. »Fang an.«
    »Nicht nötig«, sagte Johnny, »du wirst ein ordentlicher Mensch.«
    »Also genau wie du?«
    »Genau wie ich.«
    »Dann muss ich mich wohl anstrengen mitzuhalten«, sagte Eskil. »Die Branche wechseln, Aufsteller werden.«
    Darauf antwortete Johnny nicht. Eskil blinzelte, als er sich näher zu ihm neigte.
    »Du sagt ja nichts, Bergman. Willst du mich nicht dabeihaben?« Er hörte auf zu blinzeln und setzte sich wieder gerade hin. »Ich hab bloß Spaß gemacht mit der Aufstellerei.«
    »Das ist es nicht«, sagte Johnny.
    »Was ist nicht was?«
    »Erinnerst du dich, dass ich dir etwas erzählen wollte?«, sagte Johnny.
    »Äh … ja, das hast du wohl gesagt. Vor hundert Jahren.«
    Eskil versuchte zu lächeln. Johnny bereute es, dass er wieder davon angefangen hatte. Es war nicht der richtige Moment. Oder es war genau der richtige Moment. Eskil war dabei, sich aus der Asche der Nieten seines Vaters zu erheben. Vielleicht konnte auch er dieses Leben aufgeben. Vielleicht war es so, wie er vor einer halben Stunde im Phoenix gedacht hatte. Eskil würde ein … größeres Leben finden, wenn die Jukeboxen verschwanden. Die Boxen würden nicht auf der Stelle verschwinden, nur weil Johnny als Aufsteller aufhörte, aber bald. Die Jukeboxen hielten Eskil im Verderben fest.
    »Ich höre auf«, sagte Johnny. »Das ist meine letzte Saison.«
    »Kommst du dann nie mehr wieder?«, fragte Eskil.
    »Klar komme ich mal wieder vorbei«, sagte Johnny.
    »Dann bin ich vielleicht nicht mehr da«, sagte Eskil.
    »Vielleicht ist es Zeit für mich abzuhauen.«
    »Woanders haben die Leute bestimmt auch Ohren, die man abschneiden kann«, sagte Johnny.
    »Nur hier sind sie so verdammt empfindlich«, sagte Eskil.
    Die Bäume auf der Insel mitten im Fluss waren kaum noch zu erkennen. Die Dunkelheit hatte sich rasch gesenkt, während sie auf der Bank saßen.
    »Ich muss los«, sagte Johnny.
    »Du kannst bei mir übernachten, wenn du willst.«
    »Nein, ich muss nach Hause.«
    Sie erhoben sich gleichzeitig.
    »Ich sag nichts dazu, dass du aufhören willst«, sagte Eskil, »aber wie wird das Leben ohne eine Jukebox?«
    »Dein Leben?«
    »Deins und meins.«
    »Das wird schon in Ordnung sein«, sagte Johnny.
    »Ja … die Musik bleibt. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Es sind nicht dieselben Töne.«
    »Du kannst die Rock-Ola kaufen, die im Phoenix steht, wenn du willst, Eskil.«
    Eskil blieb stehen. Sie standen vor der Lotteriebude.
    »Himmel, Bergman, das war ja ein Angebot.«
    »Ich kann nur noch nicht genau sagen, wann.«
    Eskil schien zum Phoenix zu schauen oder am Café vorbei und vorbei am Frisiersalon, vorbei an dem nächsten kleinen Haus, bis es nichts mehr zu sehen gab. Um den Platz herum war kein Verkehr mehr. Die Geschäfte waren geschlossen und dunkel. Das einzige Licht kam vom Phoenix. Der Himmel war noch schwärzer geworden.
    »Mal sehen, was wird«, sagte Eskil. »Vielleicht bin ich dann trotzdem nicht mehr hier.«
     
    Der Waldweg war wie ein weißer Strich im Abendlicht.

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