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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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der Brücke hindurchpaddelten. »Mensch.« Eskil sah Johnny mit scharfem Blick an. Er nuschelte nicht und sein Blick war klar. »Das waren noch Zeiten, Bergman.«
    »Paddeln kannst du doch jetzt auch.«
    »Ich rede nicht vom Paddeln«, sagte Eskil.
    Das Kanu glitt unter der Brücke hindurch, über die gerade ein Laster fuhr. Als er vorbei war, war das Kanu in der scharfen Flussbiegung hinter Schilf und Hängebirken verschwunden.
    »Ich rede davon, dass diese Zeiten für immer vorbei sind«, sagte Eskil, »und sie sind so verdammt schnell vergangen.«
    Auf dem Fluss waren immer noch Spuren des Kanus, im Kielwasser mitten in der Fahrrinne wie ein Schatten über dem Wasser.
    »Nicht, dass sie so besonders lustig gewesen wären«, fuhr Eskil fort, »mit meinem Alten und so. Aber man war schließlich doch ein JUNGE, nicht?« Er ließ sich schwer auf die Bank fallen, wie ein Sack. »Verstehst du, Bergman? Es war trotz allem … irgendwie unschuldig oder wie man das nennen soll. Man war noch nicht … hier angekommen.« Er wandte sich zu Johnny um, genauso heftig wie er sich gesetzt hatte. Sein Blick war nicht mehr so klar. Es roch stärker nach Alkohol als nach dem dunklen Wasser des Flusses. »Ich will dir mal sagen, worüber ich in der letzten Zeit nachgedacht habe. Es ist mir eben wieder eingefallen, als ich die Jungs im Kanu sah.« Eskil schaute zum Wasser hinunter, aber die Schatten waren verschwunden. »Wenn ich mich im Spiegel sehe, kann ich an den Jungen denken, der ich einmal war, und weißt du, was ich dann denke, Bergman? Weißt du das?«
    »Nein, Eskil. Ich weiß nicht, was du dann denkst.«
    »Ich denke, dass ich ihn verraten habe. Dass ich eine Verantwortung für diesen Jungen hatte. Für den, der ich also mal war. Dass er nicht war, wie ich … jetzt bin. Dass er nicht so hätte werden müssen.« Eskil sah Johnny an. Sein Blick war trüber, dunkler. Feuchter. »Ich hab ihn verraten, verstehst du, Bergman? Das denke ich. Dass ich eine Verantw…« Weiter kam er nicht. Eskils Augen füllten sich mit Tränen, die ihm wie dünne Ketten aus Silber die Wangen hinunterliefen. »Schei… Scheiße, Bergman, Scheiße, ich heu… heule.« Eskils Stimme war dick und belegt, als ob seine Worte im Bodenschlamm des Halses stecken geblieben wären. »Es ist total verrückt. Du musst ja glauben, ich bin durch… durchgedreht.«
    Johnny beugte sich vor und legte einen Arm um Eskil, das Einzige, was er tun konnte. Er hörte Eskils schnüffelnden Atem an seinem Ohr. Langsam befreite sich Eskil aus seinem Griff. Er zog einen Lappen aus seiner Jacketttasche und putzte sich die Nase.
    »Es kommt wohl von der Sache mit … mit Vater«, sagte er. »Wahrscheinlich hat sein Tod diese verrückten Gedanken ausgelöst.«
    »Sie sind nicht verrückt«, sagte Johnny. »So denke ich auch manchmal.«
    »Wirklich?«
    »Manchmal.«
    »Aber du hast es geschafft, Bergman. Du bist doch ein ordentlicher Mensch geworden.«
    »Wer weiß das so genau.«
    »Guck mich an«, sagte Eskil. »Ich werde nie ein ordentlicher Mensch. Ich werde wie mein Vater.« Er schaute zur Lotteriebude auf dem kleinen Damm hinter ihnen. »Vater war ein boshafter Mistkerl«, fuhr er fort und zeigte auf die Bude und den Platz davor, als wollte er in letzter Minute den Schatten seines Vaters festhalten. »Aber ich vermisse ihn trotzdem, kannst du das verstehen?«
    »Er war schließlich dein Vater«, sagte Johnny.
    »Ich hatte sonst niemanden«, sagte Eskil. »Zu ihm konnte ich gehen und mit ihm reden.« Er drehte sich wieder um. »Dich hab ich auch, Bergman. Mit dir kann ich reden. Darüber bin ich froh.« Wieder holte er den Lappen hervor und putzte sich die Nase. »Du kommst ja manchmal vorbei. Sonst müsste ich zum Friedhof gehen und mit Vater reden, wenn ich mit jemandem sprechen möchte.«
    Von seinem Platz aus konnte Johnny den Kirchturm sehen. Den sah man von überall im Ort. Der Turm war schwarz und glänzend, wie das Wasser im Fluss.
    »Weißt du übrigens, was ich mit diesen verdammten Nieten gemacht habe? Vaters Sammlung?«
    »Nein.«
    »Hast du gedacht, ich würde weitermachen, Bergman? Weiter sammeln?« Eskil schaute wieder zur Lotteriebude.
    »Weiter Nieten ziehen, bis ich vor der Tombola tot umfalle genau wie er?«
    »Was hast du denn damit gemacht?«, fragte Johnny.
    »Ich hab den ganzen Mist verbrannt«, sagte Eskil und wandte sich wieder zu Johnny um. Jetzt war ein anderer Glanz in seinen Augen, klarer. Man konnte fast durch seinen Kopf hindurchsehen, der in

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