Der Jukebox-Mann
du es doch nicht zu stehlen?«
»Bei Morén geht das nicht anders.«
»Um wie viel Geld handelt es sich denn?«
»Siebzig Prozent vom Verdienst. Morén bekommt dreißig.«
»Du kriegst ja viel mehr.«
»Die Box und die Platten gehören mir, und ich führe alle Reparaturen aus«, sagte Johnny. »Und viel Geld bringt es sowieso nicht ein.«
»Wie viel?«
»Nicht viel.«
»Warum machst du den Job dann?«
»Weil ich Jukeboxen mag«, sagte Johnny lächelnd.
»Warum?«
»Sie sind … schön. Manche jedenfalls. Ich mag auch den Ton. Nichts klingt so wie sie.«
»Die hab ich manchmal im Café gespielt«, sagte Lennart.
»Es macht Spaß, auf die Tasten zu drücken.«
»Hast du einen Lieblingssong?«
»Nee …«
»Aber einen wirst du doch mögen?«
»Ja … die Spotnicks«, sagte Lennart.
» Papa oom mow mow «, sagte Johnny.
»Die mag ich.«
»Dann werde ich die Platte nicht rausnehmen.«
»Bedeutet das etwas? Papa oom wow … oder wie das nun heißt?«
»Nein«, sagte Johnny, »das ist nur Unsinn. Es bedeutet nichts.«
Wieder hörte er Geschrei und Platschen vom Steg. Einige Jungen schienen sich radschlagend ins Wasser fallen zu lassen. Sie waren in Lennarts Alter. Die Sonne stieg jetzt höher und höher über die Bäume. Für diesen Sommer war es ein ungewöhnlich warmer Vormittag.
»Willst du nicht reinspringen? Du hast doch die Badehose dabei.«
Lennart zögerte vorm Auto. Er schaute rasch zum Steg hinunter und dann sah er Johnny an.
»Darf ich … nicht mitkommen und zugucken, wie du die Platten austauschst?«
Johnny warf einen Blick zum Steg. Drei der Jungen schauten zu ihnen herauf. Einer von ihnen zeigte, vielleicht auf ihn, vielleicht auf Lennart, der plötzlich wegging.
»He, warte!«
Johnny holte ihn auf halbem Weg zum Kiosk ein. Er sah Morén aus dem Café hinken kommen.
»Es zwingt dich ja keiner, Junge. Klar darfst du mitkommen.« Johnny schaute sich um. »Das waren wohl nicht gerade deine besten Freunde, wie?«
Lennart antwortete nicht. Sie hatten den Kiosk erreicht. Er war geschlossen.
»Hast du nicht geöffnet, Morén?«
»Alf hat was in der Stadt zu erledigen.«
»Da unten sind Kunden. Hier gibt’s Kinder, die Eis möchten.«
»Ich hab doch gesagt, Al…«
»Kannst du dich nicht selbst in den Kiosk stellen?«
»Ich?«, antwortete Morén und Johnny sah die Überraschung in seinem Gesicht, und den Schock, als ob Johnny ihm vorgeschlagen hätte, einen weißen Mantel anzuziehen und auf dem Marktplatz Würstchen aus einem Bauchladen oder Lose an Leute wie Gösta Skörd zu verkaufen oder das Mikrofon zu ergreifen und vor dem Publikum des ganzen Landkreises zu Fiedel-Olles Gewimmer mitzusingen.
»Ich?«, wiederholte Morén. »Ich?«
»Ich hab bloß Spaß gemacht«, sagte Johnny.
»Wenn ihr Eis möchtet, könnt ihr euch eins nehmen«, sagte Morén und sah Lennart an. »Nimm dir nur, was du möchtest.«
Der Alte ist immer noch schockiert, dachte Johnny. Er weiß nicht, was er sagt, der Geizkragen.
»Hast du ein paar von der Vierunddreißig dabei?«
Morén zeigte zum Café.
»Die sind ausgegangen«, sagte Johnny.
»Jetzt machst du wieder Witze, Bergman.«
»Diesmal nicht. Es werden gerade neue gepresst, aber das dauert noch ein paar Tage.«
»Die in meiner Box ist kaputtgespielt«, sagte Morén.
»Myrberg klingt, als würde er auf Schotter kauen.«
»Das kommt wahrscheinlich vom Staub durch den Abrieb«, sagte Johnny.
»Das ist nicht gut«, antwortete Morén. »Dabei macht man ja Verlust. Hast du daran nicht gedacht?«
»Dann spielen die Leute eben was anderes.«
»Was denn? Elvis etwa?«
»Zum Beispiel.«
»Elvis ist am Ende«, sagte Morén. »Das haben alle kapiert, nur du nicht, Bergman.«
»Vielleicht sollte ich Herrn Morén daran erinnern, dass Devil In Disguise letztes Jahr acht Wochen lang auf Platz eins gestanden hat. Genau um diese Zeit.«
»Warum spielen die Jugendlichen dann Elvis nicht mehr?«
»Das werden sie schon noch. Sie werden ihn immer spielen. In vierzig Jahren wird Elvis noch auf den Listen vertreten sein.« Johnny blinzelte Lennart zu und sah dann Morén geradewegs in die Augen. »Er wird die Nummer eins.«
»Dann fress ich meine Krücke«, sagte Morén. »Ich gelobe, selbst im Grab werd ich das tun.«
Er hielt seine Krücke in Lennarts Richtung hoch. Das Silber des Handknaufs glänzte in der Sonne wie ein Schwert.
»Die dürfen sie mir nachwerfen ins Grab, Junge. Man weiß nie, was einen im Jenseits erwartet.« Er drohte mit der
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