Der Jukebox-Mann
einer für Mädchen. Es war ein einsamer Badeplatz. Während er all das sah, dachte er an die letzte Frage des Jungen. Er schaltete den Motor ab.
»Er ist verschwunden«, sagte er und wandte sich zu Lennart um. »Seved ist verschwunden.«
»Wie? Und wann?«
Ich verstehe, dass er es wissen will. So viel begreife ich ja. Die Fragen werden kein Ende nehmen. Das Benzin, die Unterbrecherkontakte, die Batterie, die Zündkerze und der ganze Duett, alles kann auf dieser Fahrt den Geist aufgeben, aber die Fragen des Jungen werden kein Ende nehmen. Der Teufel soll Bertil holen.
Der Teufel soll Seved holen.
Der Teufel soll sie alle beide holen.
»Es wird windig«, sagte er. »Wir sollten bald ins Wasser hüpfen.«
»Du willst nichts von deinem Bruder erzählen«, sagte Lennart. Sein Gesicht war wieder kleiner geworden. »Du bist wie alle Großen. Niemand will was sagen.«
»Hör mal, Lennart, wir gehen jetzt ins Wasser und dann erzähle ich dir von Seved.«
»Versprichst du das?«
»Versprochen. Und ich versprech dir, dass ich dir auch zeige, wie man taucht.«
»Traust du dich vom höchsten Brett zu springen?«, fragte Lennart.
»Ich glaub schon.«
»Ich trau mich kaum vom Steg zu springen.«
»Das werden wir jetzt ändern, Junge.«
Johnny zeigte es ihm. Das bedeutete, dass er selbst dreißig, vierzig Mal einen Kopfsprung machen musste, um ihm die Technik vorzumachen, die Hände nach vorne ausgestreckt, den Kopf gesenkt, eine fliegende Gestalt über der Wasseroberfläche, sein eigenes Spiegelbild unter ihm, als er gestreckt in der Luft lag. Junge, näher als so kann man dem Fliegen nicht kommen.
Und Lennart richtete sich langsam auf, wieder und wieder, aus der Kniebeuge zum Absprung. Nach dem zweiundfünfzigsten Versuch sprangen sie zusammen. Der Wind hatte aufgefrischt und sich wieder gelegt, und jetzt war das Wasser still.
»Ich kann es ja mal vom Einmeterbrett probieren!«
»Steig erst mal rauf und guck, wie hoch du es findest«, sagte Johnny.
Von dort oben schaute der Junge aufs Wasser hinunter und auf Johnny, der neben der Leiter zum Steg schwamm.
»Ob ich mich traue? Und wenn ich jetzt zum ersten Mal springe?«
»Tu das, wonach du dich fühlst.«
Der Junge zögerte, stellte sich dann nah am Rand auf die Zehenspitzen und sprang. Es wurde nur ein kleiner Köpper.
Mit leuchtenden Augen kam er wieder hoch.
»Hast du das gesehen?!«
Sie waren immer noch allein am Badeplatz. Lennart zitterte in einer der Decken, die Johnny vom Rücksitz geholt hatte. Sie roch schwach nach Öl und Schmierfett. Johnny zitterte auch. Das letzte Mal war er selbst mit elf Jahren so lange im Wasser gewesen.
Lennarts Lippen waren blau.
»Kriegst du immer blaue Lippen?«, fragte Johnny. »Und blaue Haut?«
»Das hat nichts zu bedeuten«, sagte Lennart. »Mama war mit mir beim Arzt, aber mir fehlt nichts. Die haben so ein EG… EK… ED…«
»EKG«, sagte Johnny.
»Da war nichts.«
»Vielleicht bist du ein Marsbewohner«, sagte Johnny.
»Du bist genau auf der Erde gelandet.«
»Sind die blau?«
»Wusstest du das nicht?«
Lennart lächelte und zog die Decke enger um sich.
»Vorgestern haben sie eine Rakete zum Mond geschossen«, sagte er. »Ranger VII von Cape Kennedy.«
»Ich hab’s gehört.«
»Vielleicht bringen sie ja den Mann-im-Mond mit zur Erde.«
»An Bord der Rakete waren keine Menschen«, sagte Johnny.
»Warum nicht?«
»Sie wollten wohl erst mal sehen, ob man auf dem Mond landen kann. Ob dort Menschen landen können.«
»Möchtest du zum Mond fliegen?«
»Es gibt einige andere Orte, die ich zuerst lieber sehen möchte«, antwortete Johnny.
»Und welche?«
»Tja … das Meer.«
»Ich auch. Und weiter?«
»Amerika«, sagte Johnny und machte eine unbestimmte Handbewegung in Richtung Westen.
»Amerika? Wo sie die Rakete abgeschossen haben?«
» Yes. «
»Warum? Dahin ist es ja furchtbar weit. Warum willst du ausgerechnet dahin fahren?«
»Um Elvis zu treffen zum Beispiel.« Johnny lächelte über sich selbst. Elvis treffen. »Weißt du, wer Elvis Presley ist?«
»Der Sänger«, sagte Lennart. »Von ihm ist was in der Jukebox. Mama spielt es manchmal, wenn ich da bin.«
»Spielt noch jemand anders Elvis?«
»Ich weiß es nicht. Das hab ich bis jetzt nicht gehört. Und wie willst du es anstellen, ihn zu treffen?«
»Das ist gar nicht so leicht«, sagte Johnny. »Er ist so beliebt, dass er Leibwächter haben muss und Zäune und Torwachen und so was.«
»Aber er muss dich doch auch
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