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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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einem Ort gewohnt«, sagte Lennart nach einer kleinen Weile.
    »Das ist bestimmt nicht schlecht.«
    »Ich will da aber nicht wohnen«, sagte Lennart. Er klopfte einige Male auf die Fensterleiste und schaute über die Landschaft, als ob er an etwas weit Entferntes dächte.
    »Ich mag da nicht mehr wohnen.«
    »Ach?«
    »Vielleicht ziehen wir weg.«
    »Wirklich?«
    »In die Stadt.«
    »Mhm.«
    »Was glaubst du, ob mein Papa wieder nach Hause kommt?«
    Es war wie ein kalter Windhauch, der durchs Fenster strich. Auf die Frage konnte er nicht antworten. Sie konnten über so viel anderes reden, auf viele andere Fragen hatte er eine Antwort, aber darauf nicht.
    »Was meinst du?«
    Der Junge sah ihn mit Augen an, die eine Antwort verlangten.
    »Ich … weiß es nicht, Lennart. Ich hoffe es.«
    »Warum ist er weggegangen?«
    »Keine Ahnung, Lennart.«
    »Mama kann es mir auch nicht sagen. Niemand weiß, warum.« Johnny warf dem Jungen hastig einen Blick zu. Es sah aus, als wäre er ein bisschen geschrumpft, als wäre er plötzlich kleiner geworden. Jetzt schaute er auf. »Vielleicht sollten wir rumfahren und ihn suchen?«
    »Das wäre schwierig«, sagte Johnny. »Er kann ja überall sein.«
    »Nein, das kann er nicht.« Lennart setzte sich gerade hin, wurde wieder größer. »Man kann nur an einem Ort sein.«
    »Da hast du Recht.«
    »Vielleicht sitzt er in einem der Cafés, die du besuchen musst.«
    »Ich verspreche dir, nach ihm Ausschau zu halten«, sagte Johnny.
    »Ganz sicher?«
    »Ich verspreche es.«
    »Dahinten ist ein Badeplatz«, sagte Lennart und zeigte auf ein Schild an der Straße.
     
    Das Gras zwischen den Spurrillen war hoch auf dem schmalen Waldweg. Der Duett schaukelte wie ein Ruderboot. Vor ihnen blitzte etwas auf. Der Weg öffnete sich zu etwas blauweiß Schimmerndem.
    »Ich sehe den See«, sagte Lennart.
    »Prima.«
    »Wie das schaukelt!« Lennart wiegte sich mit den Bewegungen des Autos. »Wir schaukeln ja in alle Richtungen.«
    »Hoffentlich wirst du nicht seekrank.«
    »Das bin ich noch nie gewesen«, sagte der Junge, »aber ich bin auch noch nie auf dem Meer gewesen. Du?«
    »Nein.«
    »Möchtest du denn mal aufs Meer?«
    »Ja.«
    Vor ihnen breitete sich der See aus. Das Wasser war ungewöhnlich dunkel, fast schwarz.
    »Es gibt einen Sprungturm«, sagte Lennart. »Kannst du tauchen?«
    »Ja.«
    »Ich kann es auch fast. Wer hat es dir beigebracht?«
    »Mein … großer Bruder.«
    »Wie heißt er?«
    »Seved.«
    »Wo ist er?«
    Johnny antwortete nicht. Er bog nach links ab und holperte über eine unebene steinige Fläche. Es war, als führen sie über ein altes Gräberfeld.
    »Wo ist dein großer Bruder?«, wiederholte Lennart.
    »Ich … weiß es nicht.«
    »Du weißt nicht, wo dein großer Bruder ist? Ist das wahr?«
    »Ich weiß nicht, wo er ist«, wiederholte Johnny.
    »Das ist ja … das ist ja wie mit meinem Papa«, sagte Lennart.
    Johnny wusste nicht, was er sagen sollte. Wie sind wir da hineingeraten? Dieser Junge stellt verflixt viele Fragen. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der in so kurzer Zeit so viele Fragen gestellt hat. Er bog wieder nach links ab. Überall war Wald, nur zum See hin nicht. Alles, was ich habe, ist eine Telefonnummer. Das kann ich ihm nicht erzählen. Und das ist mehr, als der Junge hat. Er kann nirgends anrufen.
    »Verdient dein Bruder sein Geld auch mit Jukeboxen?«, fragte Lennart.
    »Ich weiß es nicht, Lennart.«
    »Ich hätte auch gern einen großen Bruder. Oder von mir aus auch einen kleinen.« Er sah Johnny an und lächelte ein wenig. »Oder eine Schwester.«
    »Das wäre auch nicht schlecht.«
    »Wie kommt es, dass du nicht weißt, wo dein großer Bruder ist?«
    Dieselbe Überraschungsmethode. Aus der Hüfte geschossen. Johnny entdeckte einen primitiven Parkplatz. Dort stand kein anderes Auto, sie waren allein. Der Badeplatz lag verlassen da, auf der anderen Seite eines kleinen Grasfleckens stand ein Plumpsklo mit zwei offenen Türen. Der Wind schien zugenommen zu haben, Wasser spritzte bis zum Steg hinauf, der ein wenig durchhing. Der Sprungturm hatte drei Sprunghöhen. Er stand ein wenig schief, ein sich neigender Turm. Am Rand der Wiese gab es eine einsame Bank. Er konnte nirgends Boote entdecken, nichts rührte sich dort draußen auf dem Wasser. Keine Seevögel schrien. Am anderen Ufer waren keine Häuser zu sehen. Hinter den Tannen stand ein Schuppen mit Umkleideräumen, die uralte rote Farbe blätterte ab, an jeder Seite ein Eingang, einer für Jungen und

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