Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Dougie mich nicht sehen konnte, bevor ich ihn sah. Ich drehte mich zur Seite, um ihm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, den Arm erhoben wie eine Duellantin.
Als die Tür aufflog, sah ich ein Stück Lederjacke und Jeans. Dougie hob den Kopf, sah mich, und seine Augen verengten sich.
Er hatte keine Zeit, auf mich zu zielen, bevor ich schoss, direkt auf seine Brust. Die erste Kugel schleuderte ihn gegen den Türrahmen.
Die Luger spuckte die Patronenhülse aus und lud die nächste Kugel nach, bevor ich den Finger am Auslöser lockerte.
Aus der Küche hörte ich einen gutturalen Schrei und ein lautes, nasses Klatschen.
Dougies Augen waren offen. Doch er hob die Waffe nicht.
Ich trat näher.
Peng.
Dann schrie Donald mit immer schrillerer Stimme: »Du hast mich verbrannt, du alte Schlampe. Du hast mich verbrannt.«
Ich hatte die Luger immer noch auf Dougie gerichtet,als er zur Seite kippte und einen roten Blutstreifen an der Tapete hinterließ.
Seine Augen waren jetzt geschlossen, aber die Hand mit der Waffe zuckte noch.
Ich trat näher und drückte zum dritten Mal ab.
Peng .
Donald schrie immer noch. Keine Worte mehr, sondern nur noch ein unzusammenhängendes Winseln und Jaulen.
Aus Dougies Mund sprudelte Blut, sein Griff um die Waffe lockerte sich: eine Glock.
Mit der Fußspitze schob ich sie weg von seiner offenen Hand, dann kickte ich sie ins Wohnzimmer, wo sie unter das Sofa schlitterte und aus dem Blickfeld verschwand.
Ich drehte mich um und lief in die Küche.
Cate und Mrs Underhill standen über einer sich windenden Gestalt, die vermutlich Donald war. Beide waren mit einem Brotmesser bewaffnet. Donald wiegte sich stöhnend auf dem Boden in einer Pfütze dampfender Hühnersuppe. Seine Augen waren zugeschwollen, das Gesicht mit Blasen übersät.
So viel zum Mittagessen.
Mrs Underhill sah mich an, gefasst und stark wie ein Fels in der Brandung.
Ich nickte.
»Hat Angela dich geschickt?« Sie stieß mit der Spitze ihres kleinen Schuhs gegen Donalds Rippen.
Er stöhnte nur.
»Antworte mir, Donald«, sagte sie. »Dein Bruder liegt erschossen in meinem Hausflur. Ich kann dafür sorgen, dass du ihm folgst. Gott weiß, deine Mutter würde es mir nicht verdenken nach allem, was ihr Jungs veranstaltet habt.«
Donald fing an zu weinen. »Mein Gesicht ist verbrannt. Ich brauche einen Arzt.«
Doch Mrs Underhill blieb ungerührt. »Nicht bevor du mir sagst, wessen schreckliche Idee die ganze Sache war.«
Der Adrenalinstoß in meinem Blut flaute ab, und ich begann zu zittern.
»Wer hat dich geschickt, Albert oder Angela?« Mrs Underhill winkte mich näher heran, dann nahm sie mir die Luger ab und richtete den Lauf auf sein Gesicht.
»Ich weiß nicht, ob du es sehen kannst«, sagte sie, »aber ich ziele mit der Pistole meines Mannes genau auf deine Stirn.«
Donald wich zurück.
Sein Gesicht bot einen ekelerregenden Anblick, und der Geruch der Hühnersuppe schien stärker zu werden.
Cate stieß ihn mit dem Fuß an. »Ich glaube, du packst jetzt besser aus, Donald.«
Leider muss ich zugeben, dass ich in der suppigen Küchenluft noch einmal einatmete und dann in Ohnmacht fiel.
»Möchten Sie immer noch mit mir reden?«, fragte ich Mrs Underhill.
Als ich wieder zu mir gekommen war, hatten Cate und sie mich ins Wohnzimmer gebracht und mir aufs Sofa geholfen.
In der Küche drängten sich Polizisten und Sanitäter, Skwarecki führte das Regiment. Ich sah zu, wie Donald in Handschellen auf einer Transportliege durch den Flur geschoben wurde.
Mrs Underhill lächelte mich an. »Danke, meine Liebe, aber nach allem, was heute passiert ist, sehe ich ziemlich klar.«
»Es tut mir leid, dass ich so ein Waschlappen bin«, sagte ich. »Ich glaube, ich habe mir einen Virus eingefangen.«
Mrs Underhill lächelte. Sie hatte die gleiche Lücke zwischen den Schneidezähnen wie Teddy. »Sie sind bald wieder auf den Beinen, Liebes. Sobald Sie etwas gegessen haben. Und ich brauche Sie morgen früh vor Gericht, wenn ich aussage.«
»Hat er Ihnen gesagt, ob es Albert oder Angela war?«, fragte ich.
»Schsch.« Sie strich mir übers Haar. »Schließen Sie die Augen und ruhen sich aus. Darum brauchen Sie sich im Moment nicht zu kümmern.«
»Mrs Underhill, es tut mir so leid, was alles passiert ist.«
»Sie können nichts dafür«, sagte sie. »Und ich möchte, dass Sie mich Elsie nennen.«
Sie tätschelte mir noch einmal die Hand und sagte, ich solle mich ausruhen.
Ich schloss die Augen und döste einen
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