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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Kontrast wirkte leicht übelkeitserregend, aber die verschneiten Gärten waren gepflegt, jedes Haus war in gutem Zustand und immerhin kannte Mrs Underhill ihre Nachbarn. Hier gab es noch so etwas wie Gemeinschaft und Besitzerstolz, während ich nichts als eine Stundenlohnmigrantin war, die sich an den Rockzipfel einer anderen mit Mietvertrag hängte.
    Einzelne Eistropfen rutschten mir in den Mantelkragen und liefen mir schmelzend in den Nacken. Ich zog den Kopf ein. Zehn Schritte vor mir lag ein Hafen voller Wärme und Mitgefühl – genau das, wonach ich mich ein Leben lang sehnte –, und ich fragte mich, ob es Teddy genauso empfunden hatte, jedes Mal, wenn er durch dieses kleine Tor kam.
    Zitternd schlug ich am Fuß der Treppe den Mantelkragen hoch, während Mrs Underhills Schlüssel gegen das Schloss klimperten.
    Als im Fenster der Nachbarn der Vorhang flatterte, lächelte ich und hob den ungebrochenen Arm zum Gruß.
    Mrs Underhill schloss auf, und ich folgte ihr und Cate in den Flur, nachdem ich mir den Schneematsch von den Schuhen geklopft und die Schuhe auf der Fußmatte abgetreten hatte.
    »Ich habe großes Glück, meine Liebe«, hörte ich Mrs Underhill sagen, nachdem sie und Cate die Mäntel aufgehängt hatten und voraus in die Küche gingen. »Dr. Wilson hat mir erst letzte Woche bescheinigt, dass ich kerngesund bin. Alle meine Freundinnen müssen Cholesterintabletten und Herztabletten und Gott weiß was noch alles für den Blutdruck nehmen. Die einzige Medizin, die ich im Haus habe, sind Aspirin und Pflaster, und selbst die brauche ich höchstens einmal im Jahr.«
    Im Garderobenschrank fand ich einen freien Bügel für meinen Mantel und dachte an die Fläschchen und Schachteln mit Prozac, Ecedrin, Advil und Alka-Seltzer Plus, die ich in großen Vorräten in der Sixteenth Street lagerte, ganz zu schweigen von den Tonnen von Schmerzmitteln, die ich wegen meines Arms genommen hatte, und der Gemeinschaftswasserpfeife. Ich kam mir wie ein echtes Weichei vor.
    Wahrscheinlich würde ich jeden Penny, den ich je verdiente, für frei verkäufliche Medikamente ausgeben und sowieso jung sterben.
    Ich sah aus dem Küchenfenster. Vor den weißen Spitzengardinen schneite es inzwischen in dicken schnellen Flocken. Ich beschloss, dass es besser war, Cate nach Hause zu schicken, bevor die Straßen ganz eingeschneit waren, auch wenn sie und Mrs Underhill inzwischen ihre Rezepte für Hausmittelchen austauschten.
    Doch bevor eine Gesprächspause entstand, sagte die zähe alte Dame zu mir: »Wo wir gerade von Verdauung reden, im Gericht sagten Sie, Sie hätten noch nichts gegessen. Ich mache Ihnen ein Sandwich. Oder essen Sie lieber Suppe? Ich habe Tomaten- und Hühnernudelsuppe da.«
    »Schon gut, Mrs Underhill«, sagte ich. »Ich habe wirklich keinen Hunger. Trotzdem danke.«
    Sie verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. »Hunger hin oder her. Sie sehen schrecklich aus. Und es ist Winter.«
    »Ich möchte Ihnen keine Mühe machen«, widersprach ich.
    »Papperlapapp. Es dauert doch keine Minute. Gestern habe ich Hühnersuppe gekocht, der Topf steht im Eiskasten. Ich muss sie nur aufwärmen. Wir können alle drei einen Teller vertragen, und es gibt Cracker dazu.«
    »Das klingt köstlich«, sagte Cate. »Können wir Ihnen helfen?«
    »Warum setzt ihr beide euch nicht her und leistet mir Gesellschaft?« Mrs Underhill zeigte auf den Küchentisch mit den zwei Stühlen.
    Als sie den Topf auf den Herd stellte, klingelte das alte rote Telefon an der Wand. Mrs Underhill steckte die Flamme an, dann bat sie uns um Entschuldigung und nahm den Hörer ab. »Hallo?«
    Ich hatte das Gefühl, ursprünglich wollte Mrs Underhill mit mir unter vier Augen reden, und so sagte ich zu Cate: »Ich will dich nicht aufhalten. Sieht aus, als wird der Schnee immer dichter. Ich kann nachher einfach die U-Bahn nehmen.«
    »Ja, die bin ich«, sagte unsere Gastgeberin in die Sprechmuschel.
    Cate antwortete: »Ich hätte nichts gegen einen Teller Suppe. Es sei denn, ihr seid lieber ungestört?«
    »Hallo?« Mrs Underhill drückte zweimal auf die Gabel, dann legte sie den Hörer auf. »Muss am Schneesturm liegen.«
    Plötzlich musste ich ziemlich dringend aufs Klo. »Darf ich vielleicht Ihre Toilette benutzen?«
    Es klingelte an der Tür.
    »Hier geht es zu wie auf dem Bahnhof«, rief Mrs Underhill lächelnd. Sie bat Cate, auf die Suppe aufzupassen, dann deutete sie die Treppe hinauf zum Bad. »Erste Tür rechts, meine Liebe.«
    Ich rannte hinauf,

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