Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Moment weg, bis Skwareckis Stimme mich abrupt in die Gegenwart zurückholte.
»Yo, Dare«, sagte sie. »Sie und ich, wir müssen uns ein bisschen unterhalten.«
53
»Hören Sie«, sagte Skwarecki. »Wir müssen Sie eine Weile mit aufs Revier nehmen.«
Ich setzte mich auf Mrs Underhills Sofa auf. »Hab mir schon so was gedacht.«
Jemand hatte mir die Schuhe ausgezogen und sie ordentlich nebeneinander unter den Couchtisch gestellt. Als ich mich danach bückte, wurde mir schwindelig.
»Alles klar?«, fragte Skwarecki.
»Ja. Ich brauche nur einen Moment.« Ich holte tief Luft und wartete, dass sich die schwarzen Flecken aus meinem Gesichtsfeld verdrückten, bevor ich mir die Schuhe anzog.
»Soll ich Ihnen helfen?«, fragte Skwarecki.
»Nein danke. Aber Sie sollten mal unter dem Sofa nachschauen. Bevor ich umgekippt bin, habe ich die Glock des Toten irgendwo da hingekickt.«
»Haben Sie sie in der Hand gehabt? Angefasst?«
»Nein. Sollten nur seine Fingerabdrücke drauf sein. Er hat die Waffe gezogen, als er mich gesehen hat. Danach habe ich sie weggeschoben.«
»Sie haben in Notwehr gehandelt. Das wissen wir.«
»Trotzdem«, sagte ich, »ich habe ein besseres Gefühl, wenn Sie das Ding selbst sichern, verstehen Sie das?«
Ich beugte mich runter, um mir die Schnürsenkel zuzubinden, während sie sich Gummihandschuhe überstreifte.
Ein paar Streifenpolizisten brachten mich aufs Revier 103, wo meine Hände auf Schmauchspuren untersucht und meine Fingerabdrücke genommen wurden. Mir wurdewieder flau im Magen, als ich die Ereignisse des Tages durchging, und einer der Polizisten bot mir eine Cola an, die sehr guttat.
Ich wurde von zwei Ermittlern verhört, die ich noch nie gesehen hatte, was mich nicht überraschte. Da Skwarecki und ich uns inzwischen auch privat ganz gut kannten, hatte ich nicht erwartet, dass sie für mich eingeteilt wurde.
Es war nicht weiter schlimm. Sie brachten mich in einen schicken großen Verhörraum, und ihre Fragen waren verhältnismäßig sanft.
Dem Älteren schien die Frage, warum ich dreimal auf den Toten geschossen hatte, sogar ein bisschen peinlich zu sein.
Er spielte an seiner Krawatte herum und starrte zwischen uns auf den Tisch. »Ich kann mir vorstellen, wie es im Eifer des Gefechts war, aber wir müssen Sie das fragen.«
»Na ja, ich glaube, die ersten zwei Schüsse lösten sich, weil ich noch nie mit einer Luger geschossen hatte. Ich wusste nicht, dass es eine Halbautomatik war. Es ist einfach so passiert.«
Der jüngere Polizist lehnte links von mir an der Wand. »Und die dritte Kugel?«, fragte er.
»Seine Hand hat gezuckt«, sagte ich. »Und seine Augen waren offen. Also … ich glaube, ich wollte sichergehen.«
»Und dann haben Sie seine Waffe genommen?«, fragte der Ältere.
»Ich habe ihr einen Tritt gegeben. Ins Wohnzimmer.«
»Das war, bevor Sie in die Küche gingen?«
»Ich wusste nicht, dass der andere außer Gefecht gesetzt war. Ich wollte dafür sorgen, dass er die Waffe nicht in die Finger kriegt.«
»Aber Sie haben sie nicht an sich genommen?«, fragte der Jüngere.
»Die Glock? Nein. Ich habe sie nur mit dem Fuß bewegt.«
»Warum haben Sie sie nicht an sich genommen?«, fragte er.
»Ich hatte schon eine Pistole. Inzwischen wusste ich auch, dass sie ganz gut funktionierte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich noch eine brauchte.«
»Und dann sind Sie in die Küche gegangen«, sagte der Ältere.
»Ja. Ich meine, wahrscheinlich passierte alles viel schneller, als jetzt, wo ich davon erzähle, aber in dem Moment kam es mir ziemlich langsam vor.«
Beide nickten.
»Und was ist dann passiert?«, fragte der Jüngere.
»Also, ich betrat die Küche, und Mrs Underhill nahm mir die Luger ab, und dann sah ich das verbrannte Gesicht des anderen und bin in Ohnmacht gefallen.«
Ich trank noch einen Schluck Cola und hoffte, dass ich sie bei mir behielt.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Ältere und griff nach meiner Hand.
»Nicht wirklich«, sagte ich.
»Sie haben richtig gehandelt heute«, sagte er. »Sie haben in einer hässlichen Lage einen kühlen Kopf behalten.«
Ich nickte. »Danke.«
»Können wir Sie heimfahren?«, fragte er. »Ich glaube, wir sind hier fertig.«
»Ist Skwarecki schon zurück? Ich würde gern kurz mit ihr reden.«
»Sie war noch im Krankenhaus, um mit dem anderen zu reden«, sagte der Jüngere. »Ich frage mal, ob sie wieder da ist.«
Er ging raus, und der Ältere lächelte mir ermutigend zu.
»Kann ich Sie was
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