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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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geschunden, dass ich mir den Becher auf die Brust stellen musste, um den Kopf nicht heben zu müssen. Lauwarmes Leitungswasser rann mir auf beiden Seiten in den Kragen, bevor ich den ersten richtigen Schluck abbekam.
    Dann schalteten sich die Laternen aus, und die Backsteinfassaden auf der anderen Straßenseite waren grau in der Stille des frühen Morgens. Die Wirkung der Pillen setzte ein, als Dean gegen halb fünf ins Wohnzimmer tappte.
    Er gähnte und warf einen Blick auf den leeren Becher. »Hast du die kleine Überraschung gefunden?«
    »Gleich nachdem mich der Müllwagen geweckt hat. Danke – das war nötig.«
    »Meinst du, du schaffst es allein ins St. Vincent’s?«
    »Sankt Vinnie? Wieso?«
    »Damit sie dir den richtigen Gips anlegen«, sagte er. »Sue hat mit dem Arzt von gestern telefoniert und den Termin hierher verlegen lassen, damit du nicht nach Queens rausmusst.«
    »Cool«, sagte ich, dankbar für die Umsicht. St. Vincent’s war nur ein paar Blocks entfernt.
    Dean setzte sich zu mir auf die Couchkante. »Ich muss Christoph heute ganz früh abholen. Kann ich dich wirklich allein lassen?«
    »Natürlich«, sagte ich. »Keine Sorge.«
    »Bunny, bist du dir sicher, dass der Unfall nichts mit dem Friedhof zu tun hat?«
    »Ja«, log ich. »Absolut.«
    Dean griff nach meiner gesunden Hand und flocht die Finger in meine.
    »Wer’s glaubt, wird selig«, sagte er und drückte meine Finger.
    Ich drückte zurück. »Machst du Kaffee oder was?«
    Im St. Vincent’s wollten sie weitere Röntgenaufnahmen machen.
    Ich hatte den Großteil des Vormittags dösend auf der Couch verbracht, bis ich mich um zwei, eine halbe Stunde vor dem Termin, auf die Beine gekämpft hatte, ohne zu wissen, wie ich mich anziehen sollte. Am Ende ließ ich Skwareckis Jogginghose an und fand ein altes T-Shirt von Dean. Ich zog den Ärmel vorsichtig über meinen gebrochenen Arm, dann versuchte ich, den Kopf durch den Kragen zu stecken, aber von der Anstrengung wurde mir so schwindelig, dass ich mich zum Bett vortasten und eine Minute setzen musste, die graue Baumwolle über dem Gesicht wie bei einem Banküberfall.
    Danach brauchte ich eine halbe Stunde bis zum Krankenhaus, das nur drei Straßen entfernt war.
    Nach dem Durchleuchten wartete ich zwei Stunden auf einem Plastikstuhl im Flur.
    Ein junger Inder mit einem weißen Kittel über dem grünen OP-Anzug kam mit einer Mappe auf mich zu. Er sah hundemüde aus.
    »Miss Dare? Würden Sie bitte mit mir kommen?«
    Ich stand auf und folgte ihm den Flur entlang zu einem kleinen Untersuchungszimmer.
    »Es ist ein ziemlich böser Bruch«, sagte er, als ich mich auf einen gepolsterten Untersuchungstisch gehievt hatte.
    »Gibt es auch gute?«
    Er hielt das Röntgenbild hoch. »Ich meine, er hätte sauberer sein können.«
    »Was heißt das?«, fragte ich.
    »Na ja, wir legen Ihnen heute einen Gips an. Die Schwellung ist einigermaßen zurückgegangen. Und sie haben denKnochen gestern so gut es ging gerichtet. Aber ich möchte in einer Woche nachsehen, ob alles gut zusammenwächst. Dann ziehen wir Ihnen auch die Fäden am Kopf.«
    Er sah sich noch einmal das Röntgenbild an. Ich konnte nicht sagen, dass er besonders zufrieden aussah.
    »Was ist, wenn es nicht gut zusammenwächst?«, fragte ich.
    »Hm?«
    »Wenn der Knochen nicht gut zusammenwächst?«
    »Oh«, sagte er. »In dem Fall brechen wir den Knochen einfach noch mal und richten ihn dann wieder. Vielleicht mit einem Nagel oder so.«
    Ach so, ja.
    »Dann wollen wir Ihnen mal einen Gips anlegen, einverstanden?«

37
    Am Dienstag kam Mom aus Maine, diesmal allein. Larry hatte irgendein Ehemaligentreffen am Wochenende – ob College oder Atomkraftwerk wurde mir nicht klar.
    Als sie klingelte, ging ich zu ihr runter, denn ich war so weit wiederhergestellt, dass ich ihr trotz Gips helfen konnte, den Kram aus dem in zweiter Reihe geparkten Auto auszuladen, den sie mitgebracht hatte.
    Es war kälter geworden. Mitte Oktober, und die Blätter der kleinen Bäume auf unserer Straße färbten sich und fielen in den Rinnstein.
    Ich stieg über die Milchkiste voller Flohmarkttand, mit dem Mom die Haustür aufgestemmt hatte.
    Im Hof kam sie mir mit zwei vollen Supermarkttüten entgegen.
    »Meinst du, du kannst eine nehmen?«, fragte sie. »Nimm die hier, da sind nur Nudeln und eine Flasche Zitronensaft drin.«
    »Klar.«
    »Bring sie in die Küche. Ich koche heute Abend für euch.« Sie stellte die andere Tüte auf den Boden und ging zurück zum Wagen.
    Ich

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