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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Unterstützung eines alten, von McCarthy auf die schwarze Liste gesetzten Genossen wie Pete Seeger.
    Moms linker Daumen wanderte zum Mittelfinger, um an ihrem neuen Verlobungsring herumzuspielen. »Ausgezeichnet.«
    »Die CD müsste irgendwo in dem Stapel neben der Anlage liegen.«
    »Wie findest du Larry?«, fragte sie.
    »Er ist pro Atomkraft und findet, ein Wald ohne Papierfabrik ist wie ein Tag ohne Sonne. Masl-tów .«
    »Er hat ein großes Herz«, sagte Mom. »Soll ich einfach Eject drücken?«
    »Drück erst mal den Power-Knopf«, sagte ich. »Jedenfalls ist er offensichtlich bis über beide Ohren in dich verliebt. Und es war wirklich lieb, dass er uns zu einem so opulenten Mahl eingeladen hat.«
    Sie nickte. »Er war nervös, weil er einen guten Eindruck machen wollte.«
    »Das ist erfrischend und wird gewürdigt. Ich gebe euch sechs Monate.«
    »Sechs Monate bis was?«
    »Bis dir so langweilig ist, dass du ihn sitzen lässt. Es sei denn er entpuppt sich als Riesenarschloch.«
    Mom setzte sich wieder.
    »Pagan gibt euch übrigens nicht mal bis Ende November«, fuhr ich fort, »außer natürlich im zweiten Fall – er entpuppt sich als Riesenarschloch –, dann geben wir euch beide fünf Jahre.«
    »Na ja, nach fünf Jahren kenne ich alle Geschichten«, sagte sie.
    »Das wissen wir.«
    Sie stand auf. »Wahrscheinlich kocht das Wasser.«
    »Engelshaar braucht nur drei Minuten.«
    »Soll ich es reinwerfen?«
    »Stell den Herd ab und komm wieder her.«
    Mom hatte aufgehört, an dem Ring herumzuspielen, und fummelte stattdessen mit dem Daumen an einem Pulloverzipfel herum.
    Pagan und ich nahmen an, dieser Tick war entstanden, als ihre Eltern 1939 einem kurzlebigen Trend folgten und dem Baby beide Ärmchen eingipsen ließen, um ihm das Daumenlutschen abzugewöhnen.
    »Ich habe keine Lust rumzusitzen«, sagte sie, »ich war den ganzen Tag im Auto.«
    »Wir müssen uns unterhalten«, sagte ich. »Über Pierce.«
    »Herrgott, Madeline, musst du immer die alten Kamellen auspacken?«
    »Eigentlich geht es hier um neue Kamellen. Zumindest für mich sind sie neu.«
    »Das ist alles längst gegessen.«
    »Ist es nicht, Mom.«
    »Sei nicht albern.«
    »Hör zu«, sagte ich. »Ich habe nicht gewusst, dass Pierce sich an Pagan vergriffen hat. Pagan hat mir erst letzteWoche davon erzählt. Nachdem ich den kleinen Jungen gefunden hatte.«
    Moms Daumen bewegte sich so schnell, dass er beinahe vor meinen Augen verschwamm.
    »Sie hat auch gesagt, dass du ihr nicht glaubst«, sagte ich.
    »Ich habe Pierce gefragt.«
    »Ach was. Lass mich raten, was er gesagt hat. ›Was kümmert es dich‹, vielleicht?«
    »Es war nur fair, beide Seiten zu hören.«
    »Nein, Mom«, sagte ich. »Fair wäre es, deiner Tochter zu glauben.«
    »Ich denke, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.«
    »Das heißt, Pagan lügt teilweise , was die Tatsache angeht, dass dein Drecksackfreund sich wiederholt an ihr gerieben hat, als sie zehn Jahre alt war?«
    Moms Mund wurde schmal und grimmig, und plötzlich ähnelte sie auf unheimliche Weise ihrem toten Vater.
    »Was heißen würde, dass du sie nur teilweise verrätst«, fuhr ich fort. »Ich meine, frag dich doch wenigstens mal, warum sie so was erfinden sollte, wenn es nicht stimmt? Was für einen Grund könnte sie gehabt haben?«
    »Ich verrate Pagan nicht. Oder sonst wen.«
    »Ach ja«, sagte ich. »Und deswegen erzählst du uns jedes Mal voller Freude, wie wunderbar du dich mit Pierce amüsierst, immer wenn du in Kalifornien bist.«
    »Pierce ist ein Freund von mir. Genau wie seine Frau.«
    »Hat seine Frau auch Töchter, Mom?«
    »Eine.«
    »Wie alt?«
    Mom zuckte die Schultern. »Sie ist ein Problemkind. Vor ein paar Jahren haben sie sie zu ihrem Vater geschickt.«
    »Wie alt?«
    »Ich weiß nicht … dreizehn? Was spielt das für eine Rolle?«
    Ich hielt mir mit der linken Hand die Augen zu.
    »Du bist so was von bescheuert«, sagte ich. »Herrgott noch mal.«
    Mom schwieg eine Weile.
    Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme abstoßend heiter. »Ich mache jetzt Abendessen. Bevor das ganze Wasser verkocht ist.«
    Nachdem Mom am nächsten Tag abgereist war, entdeckte ich noch zwei Flohmarktgeschenke, die sie liebevoll auf meinem Bett arrangiert hatte: eine bestickte Kaschmirstrickjacke und einen Fayence-Teller aus Lunéville.
    Sie hatte die Ärmel der Strickjacke am Ellbogen nach innen geknickt, damit es aussah, als würde ein zweidimensionaler unsichtbarer schüchterner Freund mir demütig das

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