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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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und Juden-Schelte; glücklicherweise wurde von den Kindern bei keinem von beiden Themen Beteiligung erwartet. Oder bei sonst einem Gespräch.
    Abgesehen davon – bin ich die Einzige, die das heutige Tischgespräch zum Kotzen fand?
    »Verdammt, Dean, du hast nicht mal den Mund aufgemacht, als Christoph verkündete, er könnte Juden an ihrer Schädelform erkennen.«
    Dean sah weg. »Es ist mir egal, ob Hexe Samantha mit der Nase zuckt, Bunny. Aber du solltest mal die Jane-Fonda-Masche runterfahren.«
    »Die Jane - Fonda-Masche ?«
    »Ach, vergiss es.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Hör zu, ich stehe genauso hinter dem Women’s-Lib-Zeug wie deine ganzen intellektuellen Weicheier, aber was kümmert dich, was Taliaferro denkt? Na und, dann ist er eben ein reaktionärer Frauenhasser aus New Jersey. Mein Gott.«
    »Und was ist mit Christoph? Ich habe ihn nicht gerade so verstanden, als würde er Geld für UNICEF sammeln.«
    »Ich verstehe nicht, was es bringen soll, dass du dich beim Vorspeisenteller wie eine Furie aufführst.«
    »Was es bringen soll?«
    »Du weißt, was ich meine«, sagte er.
    »Wie kannst du mit diesen Leuten arbeiten , Dean? Christophfaselt davon, dass wir die ›Nigger‹ zurück nach Afrika verschiffen sollen, und sein Handlanger Vinnie ist jederzeit bereit, mit ein paar Schäferhunden und einem Wasserwerfer nachzuhelfen.«
    »Bunny, mir ist kalt.«
    »Was macht ihr Typen bei euren Konferenzen?«, fragte ich. »Holt ihr die weißen Kutten und Zipfelmützen raus und tanzt Cancan?«
    »Genau. Und dann vergewaltigen wir die Sekretärinnen und gehen runter zum Fluss, um ein Kreuz anzuzünden.«
    »Das ist nicht witzig.«
    »Ach ja? Ich finde es zum Totlachen. Gehen wir rein.«
    Er legte mir die Hand auf die Schulter.
    Ich schüttelte sie ab. »Dean, verstehst du überhaupt, warum ich mich so aufrege?«
    »Jetzt gerade? Ich verstehe nur, dass ich auf einem Parkplatz stehe und mir die Eier abfriere.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Ich auch.«
    »Verarsch mich nicht«, sagte ich.
    »Mir ist zu kalt, um dich zu verarschen. Oder sonst irgendjemand.«
    »Dean, Herrgott noch mal«, sagte ich. »Christoph und Taliaferro machen sich über mich lustig und schütten eine Lastwagenladung Scheiße über mir aus, und du sagst kein einziges Wort?«
    Er biss die Zähne zusammen und sah weg
    »Was soll das?«, fuhr ich fort. »Was ist los, haben sie dir irgendeine Psycho-Alien-Reagan-Schote unter den Schreibtisch gepflanzt, die dir das Hirn aussaugt?«
    Er hob das Kinn. »Es ist ein Job, okay? Es ist ein verdammter Job. Mit einem verdammten Scheck. Von der Krankenversicherung ganz zu schweigen.«
    Sein Blick fiel auf meinen Gips, aber er war nett genug, nicht auszusprechen, dass ich in letzter Zeit noch wenigerzu unserem Einkommen beigetragen hatte, dank all der unbezahlten Stunden in Queens oder im St. Vincent’s, wo sie mir ständig den Arm brachen.
    Und dass ich es war, die ihn überredet hatte, nach New York zu ziehen, und die ihn mit Christoph verkuppelt hatte.
    Trotzdem waren die Typen Arschlöcher.
    Ich zitterte.
    »Hör mal, Dean«, sagte ich. »Es tut mir leid …«
    Diesmal schüttelte er meine Hand ab. »Ich habe einen Vorschlag: Das nächste Mal, wenn du unbedingt die Angela Davis geben musst, die unter der patriarchalischen Unterdrückung leidet, zahlst du die Miete …«
    »Hey, ich habe mich entschuldigt …«
    »Von deinem Gehalt könnten wir nämlich in einem Pappkarton auf einem verdammten U-Bahn-Schacht wohnen.«
    Wütend starrten wir einander an.
    Ich senkte zuerst die Augen.
    Der Wind frischte auf und fegte trockenes Laub über den Asphalt.
    Die Luft war kalt und trocken, und wir standen auf diesem blöden Parkplatz, weil ich es so gewollt hatte – weil ich gedacht hatte, es wäre das Richtige für uns.
    Vielleicht konnte er erst mal ein Jahr hier arbeiten und dann weitersehen. Hoffentlich ohne dass er danach entnazifiziert werden musste.
    »Es tut mir wirklich leid, Dean. Im Ernst. Wir stehen beide unter Druck …«
    »Manche von uns müssen arbeiten«, sagte er und schnitt meinen Wiedergutmachungsversuch einfach ab.
    »Hey, ich wollte doch nur …«
    Doch er hatte sich umgedreht und ging auf das Gebäude zu.
    Ich folgte ihm mit drei Meter Abstand und wünschte seinem schweigenden Rücken, er möge in der Hölle schmoren.

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    »Du würdest mir doch sagen, wenn Christoph mit anderen Frauen schläft, oder?«
    Astrid und ich saßen in einem leeren Büro im Erdgeschoss. Ich konnte hören, wie Dean und

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