Der Junge, der es regnen liess
Godot auf ihren Tisch, und wir sahen einander an. Sie starrte eher.
»Sorry, Miss«, flüsterte ich.
»Jetzt geh schon.« Ich glaube, sie spürte, dass ich in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte, und indem sie in diesem Zusammenhang das Wort »schon« benutzte, gab sie mir ihr Einverständnis zum Verlassen der Klasse, wohl wissend, dass ich nicht zurückkommen würde.
Der Junge, der es regnen ließ
Niemand war zu sehen. Die Flure waren leer, so sehr, dass ich das Echo meiner Schritte deutlich hören konnte, während ich erst in die eine, dann in die andere Richtung ging und nach Rosie suchte. Etwas von der Stimmung aus High Noon lag spürbar in der Luft, als ich alleine durch die Gänge wanderte. Ruhten Blicke auf mir? Wurde ich verfolgt? Ging unser Plan bereits auf? Hatte Rosie mich betrogen und verraten? Hatte Rosie wirklich Frauenprobleme? Falls ja, dann mussten sie an diesem Morgen begonnen haben.
Mit diesem Gedanken machte ich mich auf den Weg zur Mädchentoilette. Von drinnen drang kein Laut. Sollte ich hineingehen? Ich wartete eine Minute oder so draußen, bis ein Mädchen aus der siebten oder achten Klasse vorbeischlenderte.
»Gehst du zur Toilette?« Dämliche Frage.
»Nein, ich bin auf dem Weg zur Beichte. Was denkst du denn?«
»Könntest du für mich nachsehen, ob Rosie Farrell da drinnen ist?«
»Wer bist du? So ’ne Art Perverser?«
»Red keinen Unsinn«, sagte ich und versuchte, ganz gelassen zu agieren.
»Du bist dieser englische Typ, oder?«
»Kannst du nicht bitte einfach für mich nachsehen, ob Rosie drinnen ist?«
»Ich hab gehört, du fickst diese Englischlehrerin.«
»Sieh einfach nach, ob sie da drinnen ist.«
»Ist sie nicht.«
»Woher willst du das wissen? Du hast doch gar nicht nachgesehen.«
»Das sind die Klos von der Achten und der Neunten. Sie wär doch wohl auf denen für die Zehnten und die Elften.«
»Ach so – danke für deine Hilfe.«
»Ich erzähl auch keinem, dass du vor den Mädchenklos rumhängst.«
»Mach’s ruhig. Es interessiert mich einen Dreck«, sagte ich und rannte zur Toilette der älteren Mädchen, die neben der Raucherecke lag. Sehr passend. Jetzt würde der Litanei meiner Verfehlungen also noch Perversion hinzugefügt. Es kratzte mich wirklich nicht im Geringsten.
»Rosie!« Schweigen. Pause. »Rosie!« Schweigen. Pause. Noch ein letztes Mal. »Rosie!« Nichts. Ich beschloss einzutreten. Vorsichtig. Mir mal anzusehen, wie die andere Hälfte der Menschheit pinkelt.
Mir gegenüber befanden sich vier Türen. Die Croal lechzt danach, dass einer bei ihr einlocht!;!, stand in großen roten Buchstaben auf der ersten. Langsam drückte ich sie auf. Leer. Die gesamte Toilette sah eindeutig nach Cora Kelly aus. Nach ihrer miserablen Zeichensetzung.
Alle Typen sind Schwenze!!!!, stand auf die nächste Tür gekritzelt. Ich versuchte es. Leer. Ich hatte keine Ahnung, wer sich hier verewigt hatte, aber auch ihre Grammatik und Zeichensetzung bedurften einer Aufbesserung.
Vor der dritten Tür musste ich lächeln. Jemand hatte Fuck über The Fratellis geschrieben und darunter gekritzelt: The Smiths werden deine Seele retten!! Das hatte die hübsche Hand von Rosie geschrieben. Es gab mir einen Kick, es zu lesen. Erfreulich war auch, dass keine Fehler zu finden waren.
Die letzte Tür erreichte ich nicht mehr, denn das Nächste, was ich weiß, war, dass die Vordertür aufschwang. Panik. Ich warf mich in die dritte Kabine und schloss hinter mir die Tür. Stand der Toilette gegenüber, statt mich draufzusetzen. Stand da so reglos, wie ich nur konnte. Wie bei dem Spiel Musikstatuen. Das Einzige, was ich nicht stillhalten konnte, waren meine Hände, die vor Angst begonnen hatten, unkontrollierbar zu zittern. Meine Füße waren wie an den Boden geklebt. Es war, als hätte die Totenstarre eingesetzt. Dies besaß das Potenzial für eine Katastrophe. Mir fiel ein, dass es Rosie sein könnte, aber wer immer es war, bewegte sich nicht wie Rosie und verursachte auch nicht die typischen Geräusche von Rosie. Ihre Schuhe klickten auf dem Boden. Rosie trug Turnschuhe. Rote Edel- Diadoras. Nichts mit Absätzen. Nie.
Mein Gesicht behielt seinen entsetzten Ausdruck bei. Es wurde sogar noch verzweifelter, als die Besucherin das Schloss klicken ließ, um die Kabine neben meiner zu verriegeln. Ich hörte, wie sie ihren Schlüpfer herunterzog. Das Pschschsch -Geräusch war ein willkommener Freund – noch immer besorgniserregend, aber trotzdem willkommen. Dennoch
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