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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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misstraute ihm auf Anhieb. Sein Gesicht sah aus, als hätte es Feuer gefangen und sei mit einem Golfschuh ausgetreten worden. Kriegserprobt. Natürlich trugen beide Jungen die Standarduniform: den Trainingsanzug.
    »Wie geht’s dir, Fran? Ich suche nach Rosie«, sagte ich. Inzwischen war Feuerfratze schon losgerannt und platzierte sich zwischen mich und die Tür. Entkommen war nicht möglich. Ich war umzingelt. Es wurde Zeit, den Plan in die Tat umzusetzen. Weniger einen Plan als einen Appell.
    »Hast du sie vielleicht gesehen?«
    »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dich an meiner Schule nicht mehr blicken lassen?« Er schob sich näher. Feuerfratze hinter mir tat dasselbe. Ich konnte ihn riechen. Eine Mischung aus Rauch, Haschisch und Körpergeruch. McEvoy nahm einen langen Zug aus seinem Joint. »He – was hab ich dir gesagt, englische Fotze?«
    »Hör mal, können wir nicht darüber reden, Fran?«
    »Beantworte meine Frage, Fotze.«
    »Ich weiß nicht, was ich dir getan …«
    »Beantworte meine verfickte Frage, du Drecksack«, zischte er und kam einen Schritt näher. Meine Beine zitterten vor Angst. Jeder Teil meines Körpers schwitzte. Mein Sichtfeld verengte sich, weil alles sich auf diese eine Gestalt konzentrierte, die in drei Schritten Entfernung vor mir stand. »Willste was von diesem Leckerli?«, fragte er Feuerfratze, ehe er den Joint an ihn weiterreichte. Feuerfratze streckte an mir vorbei die Hand aus und griff danach. Das war meine Gelegenheit, loszurennen. Sie passten nicht auf. Ich konnte schneller rennen als sie, das war kein Problem. Meine Kondition war gut. Scheiß auf Rosie.
    »Hör zu, Fran, ich will keinen Ärger.«
    »Dann hast du dir verfickt noch mal den falschen Platz ausgesucht.«
    »Mach ihn fertig, Fran«, sagte Feuerfratze mit beängstigender Erregung in der Stimme. Ich drehte mich nach ihm um.
    »Was glotzt du so, du Idiot?«
    »Ich hab dir gesagt, ich mach dich fertig, oder nicht?«, fragte McEvoy.
    »Schlitz die Fotze auf«, sagte Feuerfratze. Er reizte mich mehr als McEvoy.
    »Aus welchem Grund?«, fragte ich. Ich tastete oben an meinem Schenkel entlang. Langte nach meiner Versicherung. Meinem Wahnsinn.
    »Weil du eine englische Fotze bist.«
    »Das ist alles?«
    »Klar.«
    »Du gefährdest deine Freiheit, nur weil ich aus England komme?«
    »Keiner von den Fotzen wird was mitkriegen.«
    »Das werden sie sehr wohl, weil ich es ihnen nämlich sage.«
    »Und wenn du das machst, dann blas ich dir verfickt noch mal echt das Licht aus, kapiert, was ich meine?«
    »Nun, dann wirst du es jetzt tun müssen. Genau hier und jetzt.« Ich versuchte, seinen Bluff zu enttarnen, ihn zu verwirren, aus der Fassung zu bringen, was auch immer. Zumindest hatte ich die Hoffnung, dass irgendwer aufauchen und sich seine halbstündige Dosis Nikotin verschaffen würde. Wo waren denn diese unsäglichen Lehrer, wenn man sie am meisten brauchte?
    »Was quatschst du denn da, du Wichser?«, fragte McEvoy.
    »Du wirst mir hier und jetzt echt das Licht ausblasen müssen, denn wenn du mir irgendwie näher kommst, werde ich jemandem sagen, dass Fran McEvoy mich angegriffen hat.«
    »Ach ja? Das machst du?«
    »Das werde ich.«
    »Stich die verfickte Fotze ab, Fran«, grölte Feuerfratze. Ich konnte spüren, dass McEvoy sich nicht sicher war, was er tun sollte. Ich bin sicher, wären wir beide allein in der Raucherecke gewesen, hätte er einen Rückzug gemacht. So aber konnte er nicht nachgeben. Er musste sein Gesicht wahren, anderenfalls würde sich die Nachricht wie ein Lauffeuer unter den NEDs verbreiten, was zur Folge haben könnte, dass er seinen Titel und seine Stellung als Nummer-eins-Alpha-NED verlor. Es war für uns alle eine Scheiß-Situation.
    »Schlitz den Angeber auf«, schrie Feuerfratze.
    McEvoy verspürte den Druck. Jeder von uns drängte ihn jetzt in eine andere Ecke. Mit seinem durchdringenden Blick sieht er mich an, schiebt eine Hand in die Jackentasche seines Trainingsanzugs und zieht es heraus. Ein Messer. Eine Klinge. Einen Cutter. Ich sah das Glänzen. Den Schimmer. Das Funkeln. So lang wie ein Mittelfinger. Gerade lang genug, um eine Arterie aufzuschneiden oder in eine Lunge zu stechen oder eine Niere zu durchbohren oder ein Herz bersten zu lassen oder ein Auge aufzupieken oder ein Gehirn zu verletzen oder eine Wange zu zerschneiden oder ein Gesicht aufzuschlitzen. Dies war der Moment, in dem ich selbst als Feuerfratze enden konnte. Ich tastete nach meiner Versicherung. Sie befand sich

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