Der Junge, der mit den Piranhas schwamm
zurück.
„Jetzt?“, fragte Stan.
Der Mann dachte nach. Langsam hob er eine orangefarbene Ente hoch. Stan hielt es nicht mehr aus. Mittlerweile trieben die kleinen Fische mehr im Wasser, als sie schwammen. Langsam sanken sie in ihren winzigen Plastikbeuteln nach unten.
„Ich nehme sie mir jetzt!“, sagte er. „Sie gehören mir!“ Und mit diesen Worten reckte er sich in die Höhe und nahm alle zwölf Fische an sich. Die Schnurschlaufen der Beutel hängte er an seine ausgestreckten Finger. „Einverstanden?“, vergewisserte er sich.
„Wie heißte, Jung?“, fragte der Mann.
Aber Stan war schon auf dem Weg zum Fluss. Er ließ den Jahrmarkt hinter sich, rannte über Schotter und Schutt, vorbei an verlassenen Hütten und Lagerhäusern, wand sich zwischen den Streben eines uralten Eisenzauns hindurch und warf sich am Flussufer zu Boden, direkt am Wasser. Einen nach dem anderen tauchte er die Plastikbeutel hinein und füllte sie auf. Dann hielt er sie hoch und betrachtete sie gegen den Himmel. Das Wasser war jetzt trübe. Kleine Teilchen wirbelten darin herum und an der Oberfläche schimmerte es ölig. Aber in allen Beuteln, im Herzen des Schlicks, war ein Zucken und Zittern lebendigen Goldes.
Stan seufzte erleichtert und glücklich auf. Dann merkte er, dass der Mann von der Entenbude ihm nachgelaufen war und jetzt hinter ihm stand.
„Hast wohl auch ein weiches Herz, was?“, sagte der Mann. „Aber ich merk schon, du weißt, was Arbeit is. Wie heißte, Jung?“
„Stan“, sagte Stan.
„Mein Name is Dostojewski“, sagte der Mann. Er streckte die Hand aus. Stan schüttelte sie nicht. „Ich bin nich so übel, wie’s aussieht“, sagte Dostojewski. „Haste Lust auf’n Job bei mir an der Bude?“
„Nein danke, Herr Dostojewski“, sagte Stan.
„Ich bezahl auch gut“, sagte Dostojewski. „Es is ’ne gute und sichere Arbeit. Egal, was für Probleme die Welt gerade hat, Lust zum Entenangeln ham die Leute immer.“
Aber Stan lehnte ein zweites Mal ab und ging nach Hause. Die dreizehn Goldfische baumelten an seinen Fingern.
Fünf
In der Fischzuchtgasse Nr. 69 gab es Ärger. Während Stan die Enten von Herrn Dostojewski geschrubbt hatte, war ein rostiger weißer Lieferwagen vor das Haus gefahren. Auf der seitlichen Schiebetür stand in großen Buchstaben:
In der Seitentür des Lieferwagens befand sich ein winziges Fenster. Hinter dem Fenster lugte ein Teleskop geradewegs auf Ernies Haus. Hinter dem Teleskop hockte ein kleiner Mann.
„Genau, wie wir gemutmoost haben“, murmelte der Mann. „Wie blamabös. Wie skandabel.“
Er kritzelte etwas auf seinen Notizblock. Er zog sein Hemd gerade. Er rückte den schwarzen Schlips zurecht. Er schob sich eine schwarze Aktenmappe unter den Arm. Dann stieg er aus dem Lieferwagen und klopfte an Ernies Tür.
Bei all dem Klappern und Hämmern, dem Singen und Klingen hörte Ernie natürlich nichts. Der Mann klopfte noch einmal. Wieder keine Antwort. Er beugte sich nach unten und spähte durch den Briefschlitz.
„Aha!“, murmelte er. „Haarklein wie wir gemutmoost haben.“ Er rief durch den Briefschlitz: „Aufmachen, ihr da drin! Ich komme vom Direktoramt zur oberhoheitlichen Ordnungsbeschäftigung von Fisch und fischigen Dingen!“
Keine Antwort.
Er schrie noch einmal.
Keine Antwort.
Er schnalzte mit der Zunge und knurrte und stampfte mit dem Fuß auf. „Wie blamabös. Wie skandabel.“ Er packte den Türgriff. „Ich komme jetzt hinherein!“, rief er.
Die Tür ließ sich leicht öffnen. Der Mann trat ein. Hinter der Tür erwartete ihn ein Gewirr aus Rohren, Schläuchen, surrenden Rädern und wirbelnden Kolben, Eimern voller Fische und Kästen voller Dosen. Er blickte sich um und kritzelte auf seinen Notizblock.
„Wie ekelwärtig!“, sagte er. „Wie himmelrufend widerhaft!“
Er hörte Ernie singen. Er sah Ernie bäuchlings auf einer Maschine liegen, mit dem linken Fuß einen Hebel betätigend, mit dem rechten einen Kolben drehend, während die rechte Hand an einem Rad drehte und die linke auf einen Knopf drückte.
„Maschinen!“, brüllte Ernie. „Maschinen Maschinen Maschinen Maschinen!“
„Ähem“, sagte der Beamte. „ ÄHEM !“
Ernie schaute sich um. „Wer zum Donner sind denn Sie?“, fragte er.
Der Beamte schlug die Hacken zusammen. „Ich bin“, sagte er, „ein DOOF -Baemter.“
„Ein was?“ , fragte Ernie.
„Ein Baemter“, sagte der Beamte. „Ein Baemter, der ämtliche Dinge unterseucht. Merksame Dinge!
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