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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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oberflächliche Blick in Die Welt ergab nichts.
    »Nichts Neues«, sagte er zu Frank. »Gut so. Gehen wir.«
    Tom kaufte die Eintrittskarten, orangerote, perforierte Papierstreifen, mit denen sie die Minizüge benutzen konnten, die durch Hagenbecks Tierpark fuhren. Tom freute sich, weil Frank wie verzaubert war. Der kleine Zug bestand aus rund fünfzehn Waggons; man stieg einfach zu, es gab weder Türen noch Dächer. Fast lautlos rollten sie an den Abenteuerspielpätzen vorbei, wo Kinder an Gummireifen Stahlkabel hinabglitten oder in zweistöckigen Plastikbauten mit Löchern, Tunneln und Rutschen herumturnten. Sie fuhren an Löwen und Elefanten vorüber, die scheinbar kein Schutzzaun von den Menschen trennte. An den Vögelvolieren stiegen sie aus, kauften an einem Stand Bier und Erdnüsse und nahmen einen anderen Zug.
    Dann ein Taxi, zu einem großen Hafenrestaurant, das Tom von einem früheren Besuch her kannte. Durch die Glaswände sah man auf den Hafen hinunter, wo Tanker, weiße Kreuzfahrtschiffe und Hafenbarkassen festgemacht hatten, die be- und entladen wurden, während ihre automatischen Lenzpumpen Seewasser spien. Möwen segelten über ihnen, stießen ab und zu herab.
    »Morgen fliegen wir nach Paris«, sagte Tom, als sie beim Essen saßen. »Was denkst du?«
    Frank wurde sofort mißtrauisch, doch Tom sah, daß er sich zusammenriß. Entweder morgen nach Paris, dachte er, oder der Junge würde übermorgen durchdrehen und auf Biegen und Brechen von hier aus allein irgendwo hinfliegen. »Ich sage andern nicht gern, was sie tun sollen. Doch irgendwann mußt du dich deiner Familie stellen, nicht?« Tom sah nach rechts und links, aber er hatte leise gesprochen, sie saßen gleich rechts neben der Glaswand, und der nächste Tisch hinter dem Jungen war mehr als einen Meter weg. »Du kannst nicht monatelang ein Flugzeug nach dem andern nehmen, oder? – Iß dein Bauernfrühstück.«
    Der Junge aß weiter, wenn auch langsamer. Das Wort ›Bauernfrühstück‹ auf der Speisekarte hatte ihn amüsiert; er hatte das Gericht bestellt: Fisch, hausgemachte Bratkartoffeln, Speck und Zwiebeln, alles auf einem großen Teller vermischt. »Und Sie fliegen morgen nach Paris?«
    »Klar – ich will nach Hause.«
    Nach dem Mittagessen überquerten sie einen Kanal wie in Venedig, der von schönen alten spitzgiebeligen Häusern gesäumt war. Dann, auf dem Bürgersteig einer Geschäftsstraße, sagte Frank: »Ich möchte Geld wechseln. Kann ich hier schnell mal hinein?«
    Er meinte eine Bank. »Meinetwegen.« Tom begleitete ihn und wartete, während sich der Junge in eine kurze Warteschlange vor einem Schalter einreihte, über dem »Geldwechsel« stand, und seine Franc umtauschte. Soweit Tom wußte, hatte Frank den Paß nicht dabei, der auf Benjamin Andrews lautete, doch würde er ihn beim Wechsel französischen Geldes in D-Mark auch nicht brauchen. Tom sah nicht zu, was der Junge tat. Noch am Morgen hatte er den Leberfleck mit einer anderen Creme abgedeckt. Warum dachte er dauernd an dieses verdammte Muttermal? Was, wenn irgendwer den Jungen jetzt doch erkannte? Lächelnd kam Frank zurück und steckte die Scheine in seine Brieftasche.
    Sie gingen weiter zum Museum für Völkerkunde und Vorgeschichte, wo Tom schon einmal gewesen war. Schautafeln mit Modellen stellten den Brandbombenangriff nach, der im Zweiten Weltkrieg große Teile des Hamburger Hafens dem Erdboden gleichgemacht hatte: Aus über zwanzig Zentimeter hohen Lagerhäusern loderten holzgeschnitzte gelbe und blaue Flammen. Frank blieb vor einem anderen Tisch stehen, wo die Bergung eines Schiffes gezeigt wurde – das kleine Schiff, keine zehn Zentimeter lang, lag auf Sand, anscheinend metertief unter Wasser. Nach einer Stunde vor solchen und ähnlichen Nachbildungen und vor Ölporträts von Hamburger Bürgermeistern, gekleidet im Stil der Zeit Benjamin Franklins, rieb Tom sich wie immer die Augen und sehnte sich nach einer Zigarette.
    Kurz darauf, in einer breiten Geschäftsstraße mit Blumen- und Früchtewagen auf dem Bürgersteig, fragte der Junge: »Warten Sie auf mich? Fünf Minuten?«
    »Wo willst du hin?«
    »Bin gleich zurück. Dort bei dem Baum.« Frank zeigte auf eine Platane unweit des Bordsteins, an dem sie standen.
    »Aber ich will wissen, wo du hingehst«, beharrte Tom.
    »Vertrauen Sie mir.«
    »Na gut.« Tom drehte sich um, ging langsam ein paar Schritte. Er traute dem Jungen nicht und sagte sich gleichzeitig, er könne nicht ewig Frank Piersons Kindermädchen

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