Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
seinen Namen hatte Frank womöglich in der Zeitung gelesen. Doch Tom wollte nicht fragen. »Nun zu deiner Lage«, sagte er ruhig. Er wartete, sah die Unsicherheit des Jungen, seine gerunzelte Stirn. Auch Tom war verunsichert, deshalb streifte er entschlossen die Schuhe ab, schwang dieFüße aufs Bett und stopfte sich ein Kissen unter den Kopf. »Übrigens fand ich, du hast du dich beim Essen sehr gutgehalten.«
Der Junge sah ihn an, noch immer besorgt. »Sie haben mich gefragt«, sagte er leise, »und ich habe es Ihnen erzählt. Nur Sie wissen davon, sonst niemand.«
»Belassen wir es dabei. Kein Geständnis – niemals! Und jetzt sag mir: Wann hast du’s getan? Ich meine die Tageszeit.«
»Um sieben oder acht.« Dem Jungen versagte die Stimme. »Mein Vater hat sich immer den Sonnenuntergang angesehen, im Sommer fast jeden Abend. Ich hatte…«
Er schwieg lange.
»Ich hatte das gar nicht geplant, war nicht mal wütend auf ihn, überhaupt nicht. Später – schon am nächsten Tag – konnte ich irgendwie nicht glauben, daß ich es tatsächlich getan hatte.«
»Das versteh ich«, sagte Tom.
»Normalerweise habe ich ihn zu diesen Sonnenuntergängen nicht begleitet. Ich glaube sogar, er war gern allein dort draußen, aber an diesem Tag hat er mich gebeten mitzukommen. Er hatte mir gerade eine Predigt gehalten – ich wäre doch wirklich nicht schlecht in der Schule, bald käme das Studium in Harvard, die Business School, wie leicht ich dann… Na, die alte Leier eben. Er versuchte sogar, was Nettes über Teresa zu sagen, weil er wußte, daß ich – daß ich sie gern habe. Aber davor, nein, nichts. Er war immer so spießig, wenn Teresa zu Besuch kam – sie war nur zweimal bei uns. Sagte, es wäre dumm, sich mit sechzehn zu verlieben, früh zu heiraten und so, dabei habe ich nie was von Heiraten gesagt, kein Wort, habe nicht mal Teresa gefragt. Sie hätte mich ausgelacht! Jedenfalls hatte ich an jenem Tag wohl auf einmal alles satt – die Heuchelei, das falsche Getue überall, wohin ich auch sah.«
Tom wollte etwas einwerfen, aber der erregte Junge ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Die zwei Mal, als Teresa dann doch zu uns nach Hause gekommen ist, nach Maine, war mein Vater nicht gerade nett zu ihr. Ja, sogar unfreundlich. Vielleicht nur, weil sie hübsch ist und mein Dad weiß – wußte –, daß sie viele Verehrer hat. Man hätte glauben können, sie wäre irgendein Mädchen, das ich von der Straße aufgelesen hätte! Doch Teresa hat beste Manieren, sie weiß sich wirklich zu benehmen. Aber gefallen hat ihr das nicht, ist ja klar. Sie wollte nicht wiederkommen, und das hat sie mir mehr oder weniger auch so gesagt.«
»Das war sicher hart für dich.«
»Allerdings.« Frank verstummte kurz und sah zu Boden, als wisse er nicht weiter.
Tom nahm an, Frank hätte Teresa bei ihr zu Hause besuchen oder gelegentlich in New York treffen können, aber er wollte beim Wesentlichen bleiben. »Wer war an diesem Tag im Haus? Die Haushälterin Susie? Deine Mutter?«
»Und mein Bruder. Wir haben Krocket gespielt, dann hat mein Bruder aufgehört. Er war mit seiner Freundin verabredet, ihre Familie wohnt… Na, egal, mein Vater war vorne auf der Veranda, als Johnny in seinem Wagen losfuhr, und sagte ihm auf Wiedersehen. Johnny hatte einen Armvoll Rosen aus dem Garten dabei, für seine Freundin, das weiß ich noch – und auch, daß ich dachte, wenn mein Vater nicht so spießig wäre, dann hätte Teresa an diesem Abend bei mir sein können, so oder so, und wir wären ausgegangen, irgendwohin gefahren. Mein Vater läßt mich noch nicht ans Steuer, aber ich kann schon fahren. Johnny hat’s mir in den Dünen beigebracht. Mein Vater sagte immer, ich würde einen Unfall bauen und mich umbringen, doch in Louisiana und Texas dürfen Jungs mit fünfzehn oder jünger fahren, wenn sie wollen.«
Tom wußte das. »Und was war dann? Als Johnny weg war? Du hast mit deinem Vater gesprochen…?«
» Er mit mir – unten in der Bibliothek. Ich wollte weg, aber er sagte: ›Komm mit nach draußen, sieh dir den Sonnenuntergang an, wird dir guttun.‹ Ich war in scheußlicher Stimmung, wollte das aber nicht zeigen. Hätte sagen sollen: ›Nein, ich geh auf mein Zimmer‹ – hab ich aber nicht. Und dann war da Susie, sie ist in Ordnung, aber schon ein bißchen senil, sie macht mich nervös. Die hat zugesehen, daß mein Dad mit seinem Rollstuhl sicher die Rampe hinunterkommt. Sie haben eine Rampe von der Terrasse hinter dem Haus zum Garten
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