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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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gebaut, nur für meinen Vater. Aber sie hätte sich die Mühe sparen können, denn der kann das alleine. Dann ist sie zurück ins Haus gegangen, und mein Vater ist auf den Weg gerollt – einen breiten Plattenweg, der zum Wald und zur Klippe führt. Als wir dort ankamen, hat er wieder angefangen, mir die Leviten zu lesen.« Frank senkte den Kopf, ballte die Rechte zur Faust, entspannte sie wieder. »Nach einer Weile hab ich’s einfach nicht mehr ausgehalten.«
    Tom mußte blinzeln; er konnte dem Jungen, der ihn jetzt ansah, nicht mehr in die Augen schauen. »Fällt die Klippe dort steil zum Meer ab?«
    »Steil schon, aber nicht senkrecht. Doch steil genug, jemanden – umzubringen, das bestimmt. Unten sind Felsen.«
    »Viele Bäume auf der Klippe?« Tom fragte sich immer noch, ob jemand den Jungen gesehen haben könnte. »Boote im Wasser?«
    »Nein, keine Boote. Jedenfalls ist kein Hafen in der Nähe. Bäume, ja sicher. Tannen. Das Land dort gehört uns, aber wir lassen alles wild wachsen und halten nur den Weg zur Klippe frei.«
    »Selbst mit einem Fernglas hätte dich vom Haus niemand sehen können?«
    »Nein, das weiß ich. Auch wenn mein Vater im Winter auf der Klippe war, konnten wir ihn von dort nicht sehen.« Er seufzte schwer. »Danke, daß Sie sich das alles anhören. Vielleicht sollte ich es aufschreiben oder irgendwie versuchen, nicht mehr daran zu denken. Es ist schrecklich. Ich will es verstehen, es analysieren, aber ich komme nicht weiter. Manchmal kann ich nicht glauben, daß ich es getan habe. Eigenartig.« Unvermittelt sah Frank zur Tür hinüber, als sei ihm eingefallen, daß es noch andere Menschen gab, doch nichts war zu hören.
    Tom lächelte dünn. »Aufschreiben, warum nicht? Du könntest es mir zeigen, wenn du willst. Dann würden wir es vernichten.«
    »Ja«, sagte Frank leise. »Ich weiß noch, da war dieses Gefühl, daß ich es keine Sekunde länger ertragen könnte, seine Schultern zu sehen, seinen Hinterkopf. Ich dachte – ich weiß nicht, was ich dachte, aber ich bin vorgesprungen und hab den Bremshebel losgetreten und auf den Vorwärtsknopf gedrückt und dem Stuhl auch noch einen Stoß gegeben. Dann ist das Ding losgerollt und vornübergekippt. Ich habe weggesehen, hörte nur noch den Aufprall.«
    Bei der Vorstellung wurde Tom für einen Moment übel. Er dachte an Fingerabdrücke auf dem Rollstuhl. Doch die waren zu erwarten, da Frank seinen Vater zur Klippe begleitet hatte. »Hat irgendwer etwas von Fingerabdrücken auf dem Stuhl gesagt?«
    »Nein.«
    Danach würden sie zuerst suchen, dachte Tom, wenn sie den leisesten Verdacht hätten, daß an der Sache etwas faul sein könnte. »Oder auf dem Knopf, den du erwähnt hast?«
    »Ich glaube, da hab ich mit der Faust draufgeschlagen.«
    »Als sie ihn fanden, lief der Motor sicher noch.«
    »Ja, ich meine, irgendwer hätte das gesagt.«
    »Was hast du dann getan – gleich danach?«
    »Ich habe nicht hinabgeschaut. Bin zum Haus zurück gegangen. Auf einmal war ich so müde. Das war seltsam. Dann bin ich losgelaufen, langsam, um wieder wach zu werden, was weiß ich. Auf dem Rasen war niemand, aber Eugene – unser Chauffeur, auch eine Art Butler – stand allein unten im großen Eßzimmer, und ich sagte: ›Mein Vater ist eben von der Klippe gestürzt.‹ Dann hat Eugene mich zu meiner Mutter geschickt, sie sollte bitte das Krankenhaus anrufen, und ist zur Klippe gelaufen. Meine Mutter saß mit Tal im oberen Wohnzimmer vor dem Fernseher, und ich hab’s ihr gesagt, und Tal hat dann den Krankenwagen gerufen.«
    »Wer ist Tal?«
    »Ein New Yorker Freund meiner Mutter. Talmadge Stevens. Ein Rechtsanwalt, aber nicht aus der Firma meines Vaters. Großer, kräftiger Kerl. Er ist –« Wieder brach er ab.
    Womöglich der Liebhaber seiner Mutter? »Hat Tal etwas zu dir gesagt, dich etwas gefragt?«
    »Nein. Na ja, ich sagte, mein Vater hätte sich selber hinabgestürzt. Tal hat nicht nachgefragt.«
    »Also, der Krankenwagen – und dann vermutlich die Polizei?«
    »Ja. Schien eine Stunde zu dauern, bis sie ihn heraufgeholt hatten. Und den Rollstuhl dazu. Sie haben starke Scheinwerfer eingesetzt. Dann kamen natürlich die Reporter, doch die haben Mom und Tal schnell wieder weggeschickt. Darin sind beide gut. Meine Mutter wurde richtig wütend auf sie, dabei waren es an diesem Abend nur Leute von der Lokalpresse.«
    »Und später? Die anderen Journalisten?«
    »Meine Mom mußte ein paar empfangen. Ich habe mit mindestens einem geredet. Ging nicht

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